Jeder redet über dieses Thema, aber die meisten halten sich daran. Jeder fragt sich, wie es weiter gehen soll. Viele haben Angst und wissen nicht, was sie erwarten können. Wie geht es weiter mit unsere Wirtschaft? Die Leute, die selbstständig sind oder Freelance arbeiten, haben jetzt keine Arbeit mehr. Die Anordnungen werden befolgt, weil die Strafen sehr streng sind. Wenn man etwa mit dem Auto irgendwohin fährt, wo man nicht hin darf, kann man kontrolliert werden und muss sofort 250 Euro Strafe zahlen. Auch wenn man auf einer Bank im Park zusammensitzt, ist die Strafe 250 Euro. Wenn man einen Polizisten bespuckt, zahlt man Strafe und bekommt zwei Jahre Gefängnis.
Waren in Oudenaarde große Veranstaltungen geplant, die nun nicht stattfinden können?
Ja, sicher! Wir hätten am Wochenende die Flandern-Rundfahrt gehabt. Normalerweise kommen am Samstag 16 000 Amateure aus 60 verschiedenen Ländern nach Oudenaarde, und am Sonntag ist der große Tag. Dann kommen die Profis - Männer und Frauen. Dann ist hier in Oudenaarde die Hölle los! Von Samstag bis Montag sind so viele Aktivitäten, aber leider ist jetzt nichts zu tun.
An Ostern haben wir immer zwei Wochen Vogelschießen, das findet auch nicht statt, ebenso verschiedene große Flohmärkte. Wanderungen und Läufe sind auch verboten. Im Mai hätten wir Blumenmarkt und das Gedenken zum Ende des Zweiten Weltkrieges: leider abgesagt!
War auch eine Veranstaltung mit Coburg geplant, die nun ausfallen muss?
Nein, mit Coburg war nichts Spezielles geplant. Wir hoffen, dass der Weihnachtsmarkt noch stattfindet.
Bei uns sind zur Zeit viele Geschäfte geschlossen, zum Beispiel Blumenläden, Baumärkte, Friseursalons - wie ist es bei Ihnen in Oudenaarde?
Alles ist zu, nur Geschäfte, wo man Nahrung für Menschen und Tiere kaufen kann, Apotheken und die Post haben offen. Alles andere ist zu.
Gibt es finanzielle Hilfen für Geschäfte oder Unternehmen, die nicht geöffnet haben dürfen?
Ja, die Regierung hat verschieden Maßnahmen ergriffen: Es gibt Prämien für Firmen, die trotz allem weiter arbeiten können, aber nur mit einer Person (zum Beispiel Bauunternehmen, Gärtner, Elektriker) und hohe Einkommensverluste haben. Die bekommen 3000 Euro. Läden, Geschäfte oder Unternehmen, die schließen mussten, bekommen 4000 Euro.
Personen, die plötzlich ohne Arbeit sind oder die nicht arbeiten dürfen und Kredite laufen haben, können drei Monate Aufschub bekommen. Eltern, die eine Wohnung gemietet haben, damit die Kinder an der Uni studieren können, bekommen ein bisschen Rabatt, weil die Kinder jetzt zu Hause wohnen. Man muss die Zimmer immer für das ganze Jahr mieten.
Was tut die Stadtverwaltung Oudenaarde ganz konkret für ihre Bürger? Bietet sie zum Beispiel einen speziellen Service an, den es sonst nicht gibt?
Die Stadtverwaltung hat verschiedene ehrenamtliche Gruppen eingerichtet: Man kann für ältere Leute einkaufen oder mit deren Hund spazieren gehen, in der Klinik aushelfen oder im Altenheim, wenn man Krankenpfleger oder Schwester war. Die Stadt ruft jede Woche Bürger über 80 Jahre an und fragt, wie es ihnen geht, ob sie etwas brauchen. Schulen und die Kinder werden gebeten, den Leuten im Altenheim Briefe zu schreiben, weil sie keinen Besuch mehr bekommen dürfen.
Jeden Abend um 20 Uhr wird applaudiert für die Ärzte, für Krankenpfleger. Weiße Tücher hängen aus den Fenstern. Das bedeutet, dass die Leute an alle Pfleger und deren Arbeit denken. Für Kinder stellt man Bären ins Fenster, damit sie ihren Spaß haben, wenn sie mit ihren Eltern spazieren gehen - Bären suchen und Bilder machen.
Wie geht es Ihnen ganz persönlich im Moment?
Uns geht's zur Zeit gut, danke. Das Leben ist schon ein bisschen anders. Ich muss jetzt Unterricht von zu Hause geben, korrigieren und aushelfen mit dem PC. Ich habe meine Tochter zu Hause, sie bekommt sehr viele Hausaufgaben von ihrer Schule.
Auch im Haushalt geht alles weiter. Ich sorge für meinen Papa, der nebenan wohnt. Meine Tochter darf nicht mehr zu ihm. Ich gehe nur einmal in der Woche einkaufen, aber das ist eine große Aufgabe. Erst wird der Griff vom Einkaufswagen desinfiziert, dann muss man warten, bis man ins Geschäft kann, weil dort nur eine Person pro zehn Quadratmeter sein darf. Im Geschäft muss man immer den Abstand einhalten. Bezahlen kann man nur mit Karte. Man muss dann auch einen Handschuh anziehen, Pin-Code eingeben und den Handschuh wegschmeißen. Deswegen, einmal dorthingehen genügt. Wir hoffen nur, dass wir gesund bleiben. Das Interview
führte Ulrike Nauer