Druckartikel: Verstörende Brutalität

Verstörende Brutalität


Autor: Udo Güldner

Bamberg, Donnerstag, 01. Oktober 2020

Wegen gefährlicher Körperverletzung musste sich vor dem Amtsgericht ein 46-Jähriger verantworten. Der Mann hatte bei einem Ausraster auch ein kleines Mädchen gefährdet.
Foto: weerapat1003/adobestock.com


Ein brutaler Angriff mit einem Teleskop-Schlagstock auf offener Straße hat einem 46-jährigen Russland-Deutschen eine Bewährungsstrafe von 20 Monaten eingebracht. Der Mann aus Kasachstan, der nun in Bad Kissingen lebt, attackierte einen Landsmann, dem er zufällig in Hallstadt begegnete, in dessen Pkw. Die gefährliche Körperverletzung traf auch ein erst fünfjähriges Mädchen, das zufällig auf dem Beifahrersitz saß.

Für die kleine Isabel (Name geändert) muss es ein ganz schlimmes Erlebnis gewesen sein. An einem Samstag im September ist sie mit ihrem Vater in Hallstadt unterwegs. Als er einen Bekannten am Straßenrand erkennt, hält er kurz an, um mit ihm durch das geschlossene Seitenfenster zu reden. Es sei kein guter Zeitpunkt, um "die Sache" zu besprechen. Schließlich habe er Isabel dabei. Was seinen Bekannten nicht vom Versuch abhält, die verriegelte Fahrertür zu öffnen. Als es nicht gelingt, hämmert er mit den Händen gegen die Seitenscheibe. Isabels Vater bekommt Angst und ruft die Polizei. Diese Pause nutzt der Bekannte, um aus seinem geparkten Fahrzeug einen Teleskop-Schlagstock zu holen. Mit dem zertrümmert er die Windschutzscheibe.

Bei Isabels Vater liegen die Nerven inzwischen blank. Hektisch versucht er davonzufahren. Doch die fehlende Sicht und die Aufregung bewirken, dass sein Auto nur wenige Meter entfernt in den Straßengraben rutscht. In dieser Klemme demoliert der Bekannte Motorhaube, Außenspiegel und Scheinwerfer. Ein erneuter Versuch der Flucht schlägt fehl. Nach einer Drehung ist auf dem Grünstreifen erst einmal Schluss. Nicht jedoch mit den Attacken des Bekannten. Der nimmt sich nun das Seitenfenster vor, das nicht lange durchhält.

Kind erleidet Schock

Es kommt zu wilden Schlägen mit dem Teleskop-Schlagstock, die Isabels Vater glücklicherweise nicht treffen. Das ziemlich lange Metallrohr bleibt am Rahmen des Fensters hängen. Auch das bewirkt kein Nachlassen. Kurzerhand stößt der Bekannte nun in das Innere. Drinnen hat Isabels Vater alle Hände voll zu tun, sich und seine kleine Tochter zu schützen. Irgendwann hat der Bekannte wohl keine Kraft mehr oder die Furcht, von der alarmierten Polizeistreife gefasst zu werden. Er lässt Isabel und ihren Vater zurück.

Beide haben vom Angriff und vom splitternden Glas leichte Schürf- und Schnittwunden. Isabels Vater merkt erst jetzt, dass ihm bei der Abwehr der Schläge ein Knochen der linken Mittelhand gebrochen worden ist. Später zeigen sich auch noch Blutergüsse. Die fünfjährige Isabel hat zudem einen Schock erlitten.

Um dem Kind eine belastende Aussage zu ersparen, regte Rechtsanwalt Dieter Widmann (Bamberg) einen Deal an: Geständnis seines Mandanten gegen eine Bewährungsstrafe. Damit konnte auch Staatsanwältin Lea Klautke leben. Nicht jedoch Rainer Werthmann. Der Rechtsanwalt aus Bamberg vertrat die Interessen der Opfer und war erschüttert, "dass auch ein kleines Kind den Täter nicht von rücksichtsloser Brutalität abgehalten hat". Der Angeklagte müsse dafür ins Gefängnis.

Langjährige Fehde

Vor Strafrichter Fahr deutete sich eine langjährige Fehde der beiden einst gut befreundeten Männer an, hinter der wohl Eifersucht zu stecken scheint. Es ging um gegenseitige Drohungen, Beleidigungen, aber auch um angeblich gelockerte Radmuttern. "Sich rächen, das können Sie in Kasachstan oder Sibirien machen, aber nicht hier bei uns", redete der Strafrichter dem Angeklagten ins Gewissen. Er solle froh sein, dass keine schlimmeren Verletzungen eingetreten seien. Nicht mehr zu helfen war hingegen dem Auto, das mit 29 000 Euro Kostenvoranschlag für die Reparaturen einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hatte.

Die Bewährungszeit ist mit vier Jahren ungewöhnlich lange. Zumal der Verurteilte bislang noch nie vor Gericht gestanden und zwei Monate in Untersuchungshaft in der JVA Bamberg verbracht hat. Außerdem muss er an seine beiden Opfer zusammen 4000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Ein Kontaktverbot soll verhindern, dass sich die beiden Männer noch einmal persönlich, telefonisch oder anderswie begegnen.

Das dürfte in nächster Zeit freilich schwer werden, denn derzeit sitzt der Schläger wieder hinter Gittern. Wenige Tage vor dem Prozess am Amtsgericht hatte es erneut Handgreiflichkeiten gegeben ...