Vater sagt gegen gewalttätigen Sohn aus
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Freitag, 04. Dezember 2020
45-Jähriger soll seinen Erzeuger mit dem Schürhaken geschlagen, dem Besenstiel drangsaliert und mit Faustschlägen und Tritten traktiert haben.
Dieses Verhältnis zwischen Vater und Sohn dürfte nicht mehr zu kitten sein. Nicht nach der Gewalt, die zwischen beiden Männern im Spiel war. Vor Gericht begegneten sie sich am Mittwoch wieder. Die Rollen: der Sohn auf der Anklagebank, der Vater Belastungszeuge.
Der 26. Mai 2018 war vermutlich kein Wendepunkt in der Beziehung der beiden Männer aus dem östlichen Landkreis, aber ein Datum, das einen Graben vertiefte. Laut Staatsanwältin Jana Müller habe der 45-jährige Sohn seinen Vater mit einem Schürhaken geschlagen, sei mit Fäusten gegen das Gesicht vorgegangen und habe den am Boden Liegenden mit Tritten traktiert. Dann habe es damit ein Ende gehabt, weil der Vater das gemeinsam bewohnte Haus verließ. Doch als er zwei Stunden später wiedergekommen sei, sei sein Sohn erneut gegen ihn vorgegangen. Diesmal mit einem Besenstiel, den er dazu benutzte, den Vater zu stellen und gegen die Wand zu drücken. Allerdings auf Halshöhe. Das stellte einen gesonderten Tatentschluss dar und für Staatsanwältin Müller eine gefährliche Körperverletzung. Doch was brachte den Sohn so gegen seinen Vater auf?
Mit Sticheleien fing's an
Richter Matthias Huber ging es ruhig an. "Stimmt das so?", fragte er mit verhaltener Stimme und bekam zur Antwort, dass "die Hälfte weggelassen" worden sei. Der Angeklagte, der einen gut bezahlten Job im Baugewerbe zu haben scheint, wies massiv von sich, sich eines Schürhakens bedient zu haben. Es sei vielmehr sein Vater gewesen, der auffällig wurde, er selbst habe dann nur reagiert. Mit Sticheleien habe es angefangen, da habe er seinen Vater "am Hemd gepackt und gesagt, er solle aufhören". Doch statt Einsicht zu zeigen, habe der Vater ihm ins Gesicht gespuckt. "Da habe ich ihm eine Schelle gegeben - reflexartig." Auf die Erkundigung Hubers nach all dem, was sich zwei Stunden später zugetragen haben soll, wiegelte der 45-jährige Mann von massiver Erscheinung ab und nannte es "übertrieben".
Dafür versuchte er, dem Gericht auseinanderzusetzen, wie er von seinem Vater über lange Zeit gegängelt wurde. Den aktuellen Anlass habe aber ein Gegenstand geboten, den er sich bei Leuten auslieh, um "privat" etwas zu arbeiten und zu verdienen. "Ich stand vor dem Jobverlust", so der Angeklagte, seine Notlage beschreibend. Mittels dieses Arbeitsgerätes hätte er also Arbeitskraft zur Verfügung stellen und etwas verdienen können. Doch offenbar war das der Stelle, an der er jenes Werkzeug entlieh, nicht so ganz geheuer. "Die wollten mich grillen", erklärte der 45-Jährige hierzu. Von seinem Vater scheint er in dieser Sache keine Rückendeckung erhalten zu haben und man konnte gespannt sein, ob er sich zu dem Vorfall überhaupt äußern würde. Immerhin steht ihm als so enger Verwandter ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Doch der Vater sagte gegen seinen Sohn aus und schilderte den Vorfall mit dem geliehenen Arbeitsmittel so, als ob er selbst keine Kenntnis zu alledem gehabt habe.
An die Wand gedrückt
Der Gerätewart, der das Arbeitsmittel unter seiner Verwaltung hat, sei auf ihn zugekommen und habe sich über die Dreistigkeit seines Sohnes beschwert, einfach so über das Werkzeug zu verfügen. "Ich habe ihn (den Sohn) darauf aufmerksam gemacht", so der 75-Jährige und gab an, dass des Sohnes Reaktion darauf gewesen sei, ihn zu schlagen. "Dann bin ich ausgerissen (...), bevor er mich noch mal beutelt." Seine Rückkehr hatte der Senior auch noch in Erinnerung: "Da hat er mich mit dem Besenstiel am Hals an die Wand gedrückt und wieder bearbeitet."
Richter Matthias Huber folgte dem Gesagten und folgerte daraus eine Frage: "War das der übliche Umgang zwischen Ihnen beiden, dass Sie sich verprügelt haben?" Eine Frage, zu der der Vater betreten blieb, zu der er aber auch entgegnete, dass seine Schwiegertochter, also die Frau des angeklagten Sohnes, die Enkel gegen ihn aufhetzen würde.
Alles in allem wertete Huber die Angelegenheit in dieser Massivität nach all dem Gehörten als einmaligen Vorfall. Jedoch sei der Aggressor klar: "Aus meiner Sicht war das schon ein klarer einseitiger Ausrutscher." Verwunderlich an dem Vorfall aber dürfte auch sein, dass er erst zwei Jahre nach dem Geschehen bei der Polizei gemeldet worden ist.
Das spricht dafür, dass zwischen den Generationen noch mehr schwelt. Huber suchte auszugleichen und zu vermitteln. Mit Blick auf Staatsanwältin Müller formulierte er, dass "der Angeklagte nicht vorbestraft ist, so dass sich für mich schon die Frage stellt, ob eine Verurteilung rauskommen muss". Müller ging auf dieses Argument ein, hielt aber fest, dass dann schon eine höhere Geldstrafe zu verhängen sei. In ihren Berechnungen kam sie dabei auf 4500 Euro.
"Ne, dann mache ich lieber Haft, sorry", war die Reaktion des Angeklagten. Dabei trug er vor, dass sein Vater seit 20 Jahren mit einer ihm nicht zustehenden Rente "den Staat prellt" und er deshalb "kotzen könnte". Letztlich aber besann sich der Angeklagte und auch Müller senkte ihre Forderung um 1500 Euro ab.
Nun liegt es an dem 45-Jährigen, durch Zahlung von 3000 Euro die Sache beizulegen. Einen Eintrag im Bundeszentralregister kann er dadurch vermeiden, obwohl es doch so schien, als ob es ihm eher um das Geld als um die reine Weste ging.