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Urlauber seit 50 Jahren


Autor: Klaus Klaschka

Stadtsteinach, Sonntag, 22. August 2021

"Es dürften jetzt so zwei Jahre sein, dass ich in Stadtsteinach bin", rechnet Horst Reichert nach. "Zweimal im Jahr acht bis zehn Tage. Das seit 50 Jahren. Ist doch schon eine Zeit." Wer das sagt, ist...
Seit 1971 ist der Berliner Horst Reichert (Zweiter von links) Gast von Hermine Harten (Zweite von rechts) im "Weißen Rößl". Dem Dauerurlauber in Stadtsteinach gratulierten jetzt Bürgermeister Roland Wolfrum (rechts) und Tourismus-Manager Max Haueis.


"Es dürften jetzt so zwei Jahre sein, dass ich in Stadtsteinach bin", rechnet Horst Reichert nach. "Zweimal im Jahr acht bis zehn Tage. Das seit 50 Jahren. Ist doch schon eine Zeit." Wer das sagt, ist der Berliner Horst Reichert, vielleicht der treueste Urlauber in der Stadt. Hermine Harten vom "Weißen Rößl" sei ja am 6. Mai auch schon 80 Jahre alt geworden. "Wir waren hier immer gut untergebracht, meine Frau und ich. Die ist ja nun vor drei Jahren gestorben, dann komm‘ ick halt jetzt alleene", berlinert Reichert. Gesundheitlich passe alles noch. Ich bin jetzt 93; scheine die väterlichen Gene geerbt zu haben."

Reichert nimmt einen Schluck von seiner Garten-Limonade. "Kein Bier," schmunzelt er, "obwohl ich vom Bau bin". 2000 Kubikmeter Beton haber er früher mit seinen Kollegen am Tag verarbeitet. "Fünf Stunden Schlaf haben mir gereicht, dann ging es wieder weiter," plaudert er aus seinem beruflichen Leben. "Meine Frau hat gesagt, dass wir erst ab dem Ruhestand wirklich zusammengelebt haben. Das mag wohl so sein," berichtet der vormalige Bauingenieur.

Bürgermeister Roland Wolfrum war eigens mit Tourismus-Manager Max Haueis gekommen, um den Dauerurlauber zu beglückwünschen.

Horst Reichert kommt seit 1971 regelmäßig nach Stadtsteinach. "Für uns war Franken ja damals das erste große Urlaubsland; gleich hinter der Demarkationslinie, wie es damals hieß." Auf Stadtsteinach ist er über eine Zeitungsanzeige gekommen. "Dass man dort Fischen kann, stand da. Genau richtig für mich." An der Steinach zwischen der steinernen Brücke und Hummendorf fand Reichert Ruhe und Entspannung vom Berliner Großstadtbetrieb. "Und so sind wir immer wieder hierhergekommen." Das Urlaubsland Franken habe mit der Grenzöffnung für Berliner aber an Bedeutung verloren. "Die Alten sind halt langsam ausgestorben, und die Jungen fliegen jetzt in die ganze Welt," erklärt Reichert die neue Zeit.

Auch Berlin habe sich sehr geändert. "Wobei es bei uns in Tempelhof ja noch geht. Wir sind ein anständiges Viertel geblieben - anders als nebenan in Schöneberg. Dort wurde schon immer die Miete mit dem Revolver eingetrieben, haben wir früher schon gewitzelt; das ist auch so geblieben." Nun seien die beiden Stadtviertel zusammengelegt worden. "Ob damit die Kriminalstatistik verschönert werden soll, das weiß ich natürlich nicht", witzelt der Berliner.

Horst Reichert hat schon mal seinen nächsten Urlaub in Stadtsteinach reserviert. "Bis zum nächsten Jahr", sagt er. "Hoffentlich ist die Ausbeute in der Steinach dann besser. In diesem Jahr waren die Fische doch recht klein." Klaus Klaschka