Druckartikel: Urlaub vom Alltag

Urlaub vom Alltag


Autor: Sylvia Hubele

Schlammersdorf, Dienstag, 23. Mai 2017

Die Teilnehmer des Pilgerstammtischs St. Jakobus Schlammersdorf teilen die Leidenschaft dafür, einen Schritt nach dem nächsten zu setzen.
Der Kilometerstein von Santiago de Compostela


Beim Pilgern trägt man nur das mit sich, was in den Rucksack passt - alles andere bleibt daheim. Wer pilgert, verzichtet zwar auf eine ganze Menge Bequemlichkeit und muss durchaus mit seiner Erschöpfung und gelegentlichen Rückschlägen rechnen, aber er erlebt: Es geht immer weiter.
Franz Kröppel ist mit seinen 75 Jahren zwar einer der ältesten am Schlammersdorfer Pilgerstammtisch, doch er ist immer noch auf Pilgerpfaden und Wallfahrten unterwegs.
Frank Van Gompel ist sich sicher, dass er das Pilgern nicht mehr missen möchte: "Ich brauche keinen anderen Urlaub mehr."
Ebenso geht es Arnold Kupfer. Fragen ihn Bekannte, ob er nicht geschafft sei, wenn er viele Kilometer zurücklege, winkt er ab: "Ich lade dabei meinen Akku auf." Jeder der Menschen, die im Gasthaus sitzen, kann viele Geschichten erzählen, Geschichten über Begegnungen. "Viele Menschen, denen wir unterwegs begegnen, geben uns ihre Grüße und Wünsche nach Santiago mit", sinniert Dieter Sawinsky.
In der Kathedrale von Santiago angekommen, geht er in Gedanken die gesamte Strecke noch einmal durch, damit niemand vergessen wird. "Wer einmal die Glocken von Santiago gehört hat, dem bleibt die Sehnsucht danach", ergänzt Frank Van Gompel. Er begann zu pilgern, als er von seinem Beruf Abschied nahm: "Pilgern ist für jeden gut geeignet." Man brauche nur den Mut, aus seinem alten Trott aufzubrechen und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Jeder hat seine persönlichen Gründe, loszuziehen: "Wer fragt, der sucht", ist sich Van Gompel sicher.
"Es ist der Weg selbst, der die Menschen verändert", sagt Sawinsky und weist darauf hin, dass die Menschen schon lange den Weg nach Santiago de Compostela suchen. Manche gehen ihn allein, andere pilgern gemeinsam mit Freunden.
Unterwegs lernt man Menschen kennen, führt gute Ge-spräche, vertraut ihnen sein Leben an. Nicht zuletzt sind die Pilger mit der Natur im Einklang - ganz egal, ob es regnet oder die Sonne heiß vom Himmel brennt. Musste sich Dieter Sawinsky früher um seine Existenz kümmern, tritt jetzt das Materielle in den Hintergrund. Viele der Wege sind nur zu Fuß erlebbar. Wer nicht aus dem Auto steigt, der kann sie nicht erfahren, weiß der Mann, der auf seinen Pilgerwegen schon gut 3000 Kilometer durch ganz Europa zurückgelegt hat.
Die größte Erfahrung, die Frank Van Gompel machen durfte, schildert er folgendermaßen: Geht im normalen Umfeld mal etwas schief, kann man immer jemand anders dafür verantwortlich machen. Doch unterwegs ist er als Pilger auf sich selbst gestellt.


Hilfe kommt immer

Passiert etwas, lässt sich dafür niemand verantwortlich machen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Und auch wenn jemand glaubt, dass es nicht mehr weiter ginge: "Du kriegst immer Hilfe", versichert Van Gompel.
Er belegt diese Behauptung mit einer kleinen Episode: Als er mit seiner Frau in der Schweiz pilgerte, konnte er mit seiner Geldkarte kein Geld am Automaten abheben. Selbst der Mitarbeiter der Postbank konnte nicht weiterhelfen. Also wollte er wieder zurückfahren. Doch am Fahrkartenschalter tippte ihm eine Frau von hinten auf die Schulter und drückte ihm 900 Franken in die Hand. Sie tauschten die Adressen aus und er schickte später das Geld wieder in die Schweiz zurück. "Auf dem Jakobsweg gibt es keine Zufälle", ist er sich sicher: "Du wirst immer geführt."
So viele Menschen auch auf dem Jakobsweg unterwegs sein mögen, für jeden ist der Weg anders. Wer den Jakobsweg zum ersten Mal pilgert, für den ist alles neu. Ist der Pilger bereits routinierter, bieten sich die vielen Nebenwege an. Wer erst einmal ausprobieren möchte, ob Pilgern für ihn geeignet ist, kann zunächst den Fränkischen Jakobsweg wählen und von Kronach über Lichtenfels nach Nürnberg pilgern. "Das ist ein guter Einstieg", sagt Sawinsky.