Unglückliche Umstände?
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 01. Juli 2020
"Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände", beteuerte die 44-jährige Frau aus dem östlichen Landkreis. Die Anklage hielt ihr vor, Betrugsabsichten gehabt zu haben. Sie selbst zählte Umstände auf,...
"Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände", beteuerte die 44-jährige Frau aus dem östlichen Landkreis. Die Anklage hielt ihr vor, Betrugsabsichten gehabt zu haben. Sie selbst zählte Umstände auf, die dafür sprechen sollten, dass sie nicht aus ihrer Haut konnte. Das Verfahren am Dienstagvormittag erforderte Menschenkenntnis und Beweise.
Staatsanwalt Mario Geyer fasste nach der Anklageverlesung die Frau immer wieder ins Auge. Beobachtend, einschätzend. Ist ihr Absicht zuzutrauen oder war sie Leidtragende einer Erkrankung und hatte darum nicht die Ware geliefert, für die sie warb? Am 26. Januar 2019 verkaufte sie im Internet einen Textildrucker im Wert von knapp 554 Euro. Doch als das Geld bei ihr einging, lieferte sie nichts.
Ein tiefer Fall
Doch ab dann wurde es kurios, denn als die Kundin sich per E-Mail nach dem Verbleib der Ware erkundigte, da wurde sie vertröstet. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so tief falle, dass ich meine Sachen nicht regle", erklärte die Angeklagte gegenüber Richterin Daniela Jensch. Doch besagter tiefer Fall habe eigenen Worten zufolge bei der Angeklagten noch mehr angerichtet. Weder ihre Vorsteuer noch ihre Einkommenssteuer habe sie abgeführt, sich mit Bürokratischem nicht befasst und ihre Selbstverantwortung aufgegeben. Eine Posttraumatische Belastungsstörung und ein Burnout habe sie ereilt und völlig paralysiert. Jetzt, so die Frau, müsse sie Finanzamtliches von 2017 bis 2020 nachregeln. "Ich hab' auch nix verdient und wenn ich nicht die Unterstützung meines Vaters gehabt hätte, würde ich jetzt unter der Brücke schlafen."
Eigentlich, so die Frau, die pädagogische Fachkraft ist, habe sie eine Selbstständigkeit angestrebt. Doch die Umstände hätten es mit sich gebracht, dass wegen ihrer Passivität auch ihr Konto eingefroren wurde. Das sei allerdings zu der Zeit passiert, als sie keinen Zugriff auf diese 554 Euro gehabt habe, diese also auch nicht an die Käuferin habe zurücküberweisen können.
"Und wie soll es weitergehen?", erkundigte sich Jensch. Die Frau gab an, ein "Schritt-für-Schritt-Programm" ins Auge zu fassen und überhaupt sei sie seit zwei Monaten wieder strukturiert. Lange sollte das Verfahren an sich nicht währen und so kam es bald zu den Plädoyers, und auf die durfte man gespannt sein. Erst recht, weil die Mittvierzigerin laut Bundeszentralregister völlig unbescholten ist. Betrugsvorsatz ja oder nein?
Geyer bejahte einen Vorsatz, zumindest einen "Eventualvorsatz". Bei einem solchen hält der Täter die Verwirklichung eines Tatbestands ernstlich für möglich und findet sich mit diesem Risiko ab. Immerhin führte Geyer der Frau gegenüber den Nachweis, dass sie noch im Februar hätte Überweisungen tätigen können. 1050 Euro erachtete er als Geldstrafe für angemessen, mit einer solchen sollte es sein Bewenden haben.
Leidenschaftlicher wurde die Angeklagte: "Es lag mir total fern, ich bin nicht so ein Mensch, denn dann wäre ich in meinem Beruf total falsch gewesen. Ich finde es unfair, für etwas verurteilt zu werden, was ich nicht beabsichtigt habe." Wenn sie hätte betrügen wollen, so die Frau, dann hätte sie auch andere noch betrogen. Dieses Argument überzeugte Daniela Jensch nicht. Sie hielt gegenüber der Angeklagten fest, dass nach Ermittlungsstand noch ein Zeitfenster von fünf Wochen bestanden habe, in denen Überweisungen möglich gewesen seien. Doch mit dem Strafmaß ging sie herunter und verhängte wegen Betrugs eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro.