Überall in Baiersdorf erinnern Spuren an Juden, die hier über die Jahrhunderte lebten
Autor: Pauline Lindner
Baiersdorf, Donnerstag, 10. November 2016
Eine kleine Gruppe steht mit dem Historiker Horst Gemeinhardt vor dem ehemaligen Café Schorr in Baiersdorfs Stadtmitte. "Hier wohnte zuletzt der Hofbankier ...
Eine kleine Gruppe steht mit dem Historiker Horst Gemeinhardt vor dem ehemaligen Café Schorr in Baiersdorfs Stadtmitte. "Hier wohnte zuletzt der Hofbankier der Markgrafen von Bayreuth, Samson Salomon", weist der Kenner der jüdischen Geschichte seiner Heimatstadt auf das Gebäude. "Dort in der Hauptstraße das Haus mit dem gelben Fachwerk. Hier hat er zuvor gewohnt und hier wurde auch die Hochzeit seiner Tochter mit dem Sohn Moses der Glückel von Hameln gefeiert", weist er auf die Anwesen auf der westlichen Seite der Hauptstraße.
In Baiersdorf ist es Tradition, nicht zuletzt dank der intensiven Forschungsbemühungen Gemeinhardts, am 9. November neben der offiziellen Kranzniederlegung am Gedenkstein im jüdischen Friedhof auch zu den Häusern und Gräbern der früheren jüdischen Mitbürger zu gehen.
Schon allein der von Gemeinhardt mitgebrachte historische Stadtplan zeigt es: In allen Straßen der Altstadt haben zu verschiedenen Zeiten Juden gewohnt. Bis zuletzt. Deportiert wurden nur zwei, das Ehepaar Kohn, an das zwei Stolpersteine im nördlichen Teil der Hauptstraße erinnern.
In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde stark ausgedünnt, denn viele in Baiersdorf Geborene waren ausgewandert oder aus beruflichen Gründen verzogen. Zugezogen hingegen sind die ersten Juden schon kurz nach der Stadterhebung 1379.
Der Friedhof wurde zwischen 1400 und 1450 angelegt. Baiersdorf war durch den Sitz des markgräflichen Oberrabinats ein Zentrum, nicht nur als Bestattungsort für Juden aus umliegenden Orten. Wie noch im 19. Jahrhundert für Erlangen. Dessen Ehrenbürger, der Mediziner Jakob Herz, und seine Angehörigen fanden in Baiersdorf ihre letzte Ruhestätte.
Wo Max Hirschkind bestattet ist? Er fiel als Soldat im Ersten Weltkrieg. Sein Name und der seines Bruders stehen wieder auf dem Kriegerdenkmal in der Nähe des evangelischen Friedhofs und auf der Tafel für die Gefallenen der evangelischen Kirchengemeinde in der Nikolauskirche.
Karriere in Nürnberg
Gemeinhardt bitte die Gruppe, sich umzuwenden. Der Blick fällt auf eine Inschrift am Anwesen schräg gegenüber. Sie ist einem Ritter von Gerngros gewidmet. Auch ein Baiersdorfer Jude, der als Hopfenhändler in Nürnberg zu Reichtum und Ansehen kam. Aus dem dicken Aktenordner, den Gemeinhardt mitschleppt, holt er ein altes Foto heraus. Die Nürnberger Frauenkirche ist zu erkennen und ein ganz anderer Brunnen, als man erwartet: der Neptunbrunnen, dessen Original heute in St. Petersburg steht und dessen Nachbildung im Nürnberger Stadtpark.
Gerngros war einer der Stifter; übrigens auch des Gebäudes des heutigen Komm. Den Friedhof betritt die Gruppe über den erst in den 60er Jahren geschaffenen Zugang und steht damit gleich vor der jüngsten Gräberreihe. Bis 1937 reichen die Sterbedaten.
Gemeinhardt weiß noch von nicht dokumentierten Begräbnissen während des Zweiten Weltkriegs und kurz danach: ein amerikanischer Staatsbürger, der am Baiersdorfer Bahnhof tödlich verunglückte.
In der Gräberreihe, die genau der Synagoge gegenüberlag, taucht überwiegend der Name Kohn auf. Das hat rituelle Gründe, denn dieser Name leitet sich vom Priestergeschlecht zu Zeiten von Moses ab. "Benjamin Kohn", liest Gemeinhardt eine jüngere Inschrift ab. Der hier Beerdigte war Stadtrat und viele Jahre Feuerwehrkommandant.