Über das Gehalt wird in Deutschland nicht geredet
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, Samstag, 09. Januar 2021
An ihre erste Stelle kann sich Regina Steinkemper noch gut erinnern: Sie fing damals in Bielefeld in einer Beratungsstelle im Gesundheitswesen an - und wurde gut bezahlt. "Ich bekam rund 300 Euro mehr...
An ihre erste Stelle kann sich Regina Steinkemper noch gut erinnern: Sie fing damals in Bielefeld in einer Beratungsstelle im Gesundheitswesen an - und wurde gut bezahlt. "Ich bekam rund 300 Euro mehr als eine Kollegin, die eigentlich die gleiche Arbeit machte", erinnert sich die Soziologin. Das ungleiche Gehalt, von dem die Kollegin wusste, sorgte für Sticheleien und Unmut im Zweierteam: "Da dachte ich, es ist doch besser, wenn man nicht über Gehalt spricht, das führt nur zu Streit", erinnert sich Steinkemper.
Eine Einstellung, die weit verbreitet ist: Über Gehalt reden die Deutschen ungern. Nach einer neuen Studie der Online-Jobbörse Stepstone mit Sitz in Düsseldorf fühlt sich jeder zweite Stellenbewerber unwohl dabei, über sein Gehalt zu verhandeln.
"Wenn man in Deutschland jemanden fragt, wie viel er verdient, gilt das als Affront", sagt Inga Rottländer, Unternehmenssprecherin bei Stepstone. Deutschland sei eher eine "egalitäre Gesellschaft". Die Toleranz gegenüber Unterschieden beim Lebensstandard sei weitaus geringer als in anderen Ländern wie etwa den USA.
Die Einstellung und dieses Verhalten wirken sich direkt auf die Chancen in Bewerbungsgesprächen aus.
"Die Informationslage über Gehälter in Deutschland ist eher intransparent und aus der Balance", sagt Katrin Luzar, Pressesprecherin bei der Online-Jobbörse Monster. Oft seien Bewerberinnen und Bewerber bei den Einstellungsgesprächen daher sehr unsicher. "Sie fürchten, sich bei vermeintlich falschen Gehaltsvorstellungen direkt aus dem Bewerbungsprozess zu kegeln", erklärt Luzar. Die "Tabuisierung des Gehalts" wird von vielen Arbeitgebern sogar gefördert. Mitunter gibt es sogar ein Redeverbot im Arbeitsvertrag. Das Schweigen über das Gehalt kann bei Menschen, die eine vergleichbare Arbeit machen, zu großen Einkommensunterschieden führen, wenn bei den Bewerbungsgesprächen die Verdienstchancen unklar sind und unterschiedlich verhandelt wird.
Große Einkommensunterschiede gibt es in Deutschland zwischen Männern und Frauen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liegt in Deutschland die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern bei durchschnittlich 19 Prozent, und selbst bei gleicher formaler Qualifikation betrage der Entgeltunterschied immer noch sechs Prozent.
Die Bundesregierung versucht seit Jahren, gesetzlich entgegenzusteuern. dpa