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Trüber Blick in die Glaskugel


Autor: Christoph Winter

Coburg, Dienstag, 03. März 2020

Die Konjunkturaussichten für das Jahr 2020 sind angesichts von Krisen und Handelsstreitigkeiten mau. Das Corona-Virus macht Prognosen vollends unsicher.
Wie entwickelt sich die Konjunktur angesichts des Corona-Virus, Handelsstreitigkeiten und Konflikten? Die Wirtschaftsjunioren Coburg blickten in die Glaskugel, aber zutreffende Vorhersagen bleiben schwierig bis unmöglich. Von links: Frank Bittel (Agentur für Arbeit Coburg-Bamberg), Claudia Weigelt (Ros GmbH Coburg), Siegmar Schnabel (Hauptgeschäftsführer IHK Coburg), Klaus Bruchmann (Sprecher Wirtschaftsjunioren), Norbert Schug (VR-Bank Coburg), Jörg Wagner (Frischecenter Wagner, Coburg), Josephine Dransfeld (Heunec Neustadt/C.), Michael Böhm (Elektro-Kirchner Coburg).  Foto: Christoph Winter


Das aktuelle Jahr sehen die Wirtschaftsjunioren Coburg verhalten. Bei der 2. Coburger Konjunkturprognose am Montagabend im Gebäude der Coburger Wohnbau und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt auf der Mauer bestimmten Unwägbarkeiten die Referate. Neue Herausforderungen wie das Corona-Virus, die Verhandlungen nach dem Brexit oder die Entwicklung im Nahen Osten machen das Geschäft nicht leichter. Auch bekannte Probleme - Fachkräftemangel und überbordende Bürokratie - trüben die Stimmung. So stimmte Klaus Bruchmann, Sprecher der Wirtschaftsjunioren, die Zuhörer ein.

Vor einem Jahr hatte an gleicher Stelle die Premiere der Wirtschaftsjunioren-Konjunkturprognose stattgefunden, erinnerte IHK-Hauptgeschäftsführer Siegmar Schnabel. Die Wachstumsprognosen für das vergangene Jahr seien seinerzeit zu optimistisch gewesen, räumte er ein. Erreicht wurden nur 0,6 Prozent. Der Klimakonjunktur-Index seiner Organisation sei von 118 Punkten 2019 auf 110 Punkte für dieses Jahr gesunken. Der langjährige Durchschnitt betrage 116 Punkte. Schnabel nannte die Klimadiskussion "wenig hilfreich". Er forderte technische Lösungen statt Ideologie. Das Wachstum der Wirtschaft werde durch das Corona-Virus "eingetrübt". Der Wirtschaft müsse geholfen werden.

Ebenso äußerte sich das Vorstandsmitglied der VR-Bank Coburg, Norbert Schug. Für 2020 geht er von einer um drei Prozent wachsenden Weltwirtschaft aus, ein Plus von zwei Prozent könnten es in den USA sein und maximal drei Prozent in China. In Europa sei die Wirtschaft im letzten Quartal 2019 um ein Zehntel Prozent gewachsen und das wird sich nach der Einschätzung des Bankers auch 2020 nicht ändern.

Die Zahlen basieren auf der Annahme, dass die Auswirkungen des Corona-Virus nicht so gravierend werden und die Wirtschaft die aktuellen Ausfälle nachholt. Bei einer Pandemie sähe alles anders aus. Kurz: Genaues weiß man nicht, und die Wirklichkeit unterscheidet sich von Prognosen.

Bei den Zinsen machte Schug wenig Hoffnung auf steigende Zahlen. Die Niedrigzinspolitik des "Grafen Draghi" (Mario Draghi, ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank) werde dessen Nachfolgerin kaum ändern.

Zahlen der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg legte deren Bereichsleiter Frank Bittel vor. Aktuell registriere man einen Stellenabbau in den Betrieben. Die über 50-Jährigen nähmen mit 6,2 Prozent einen großen Anteil an den erwerbslosen Menschen ein. "Sie haben wenig Chancen am Arbeitsmarkt." Vier von zehn arbeitslosen Menschen seien nur für einen Helferjob qualifiziert, jedoch stünden hier 4128 Menschen nur 1807 offene Stellen gegenüber. Zurückgegangen ist nach den Worten Bittels die Beschäftigung in der Zeitarbeit (minus 500 Mitarbeiter), was sich in der Vergangenheit oft als Frühindikator für die Konjunktur erwiesen habe. Boombranchen seien das Sozialwesen, Gesundheit und Pflege.

"Unterwegs in kuscheliger Mission" ist Josephine Dransfeld, Prokuristin des Neustadter Plüschspielwaren-Herstellers Heunec. Die Firma zählt mit zwei Millionen Plüschtieren jährlich zu den Großen der Branche. Das Corona-Virus aber hat die Fabriken in China zum Stillstand verurteilt, "und wir haben eine Lieferverzögerung von etwa sechs Wochen", berichtete Dransfeld. Das Unternehmen habe im Reich der Mitte viele Zulieferer.

Mit Frische, Erlebniseinkauf und vielleicht auch einer Abholstation will das Frischecenter Wagner auf der Lauterer Höhe Kunden halten und den Umsatz auf 20 Millionen Euro in diesem Jahr steigern. Geschäftsführer Jörg Wagner sieht sich mit langen Öffnungszeiten und schwer zu beschaffendem Fachpersonal konfrontiert. Er forderte eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel ("Klasse statt Masse") und die Rücknahme der Bonpflicht. Die zusätzlichen Kassenbons haben nach Verbandsangaben aneinander gereiht eine Länge von zwei Millionen Kilometern.

Energiemanagement, weniger Verbrauch und damit geringere Energiekosten sind nach den Worten von Michael Böhm in Zeiten steigender Energiepreise wichtig. Bei der Coburger Firma Kirchner Elektrotechnik sucht man dem Fachkräftemangel mit einer betriebseigenen Ausbildungsquote von 98 Prozent zu begegnen.

Den Rückgang bei der Automobilindustrie sowie die Diskussion über Kunststoffe und Verpackung spürt auch der Coburger Kunststoffteile-Hersteller Ros KG. Dessen geschäftsführende Gesellschafterin Claudia Weigelt beklagte, dass die verarbeiteten Granulate aufgrund der geringen Korngröße per EU-Verordnung zu Gefahrgut werden könnten, was wiederum Aufwand und Kosten nach sich zöge. Problematisch sei für die Branche zudem das Verbot von Plastiktüten hierzulande, "während der größte Teil der Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik aus Asien stammt". Sie forderte, Kunststoffmüll anstelle von Öl zur Energieerzeugung zu nutzen. Risiko der Zukunft sei die Unterbrechung von Lieferketten.