"Tricksen nach allen Seiten"
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Bad Kissingen, Samstag, 10. Juni 2017
Verstöße von Arbeitgebern gegen das Mindestlohngesetz werden von den Zollbehörden zu selten aufgespürt, sagt Gewerkschaftssekretär Ibo Ocak (Würzburg) auf A...
Verstöße von Arbeitgebern gegen das Mindestlohngesetz werden von den Zollbehörden zu selten aufgespürt, sagt Gewerkschaftssekretär Ibo Ocak (Würzburg) auf Anfrage der Redaktion. Was den Landkreis Bad Kissingen angeht, gelte dies vor allem für die Bäckereien und fürs Gastgewerbe. Aus diesen beiden Branchen kämen die meisten Beschäftigten mit Beschwerden, zum Teil massiver Art, auf ihn zu.
167 Gastro-Betriebe kontrolliert
Seinen Angaben zufolge kontrollierte das für die Region Mainfranken zuständige Hauptzollamt Schweinfurt im Jahr 2016 insgesamt 167 Gastro-Betriebe. Das sind lediglich vier Prozent aller Hotels und Gaststätten im Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Schweinfurter Zoll, entnahm Ocak einer Zoll-Bilanz, die das Bundesfinanzministerium der Grünen-Arbeitsmarktexpertin im Bundestag, Beate Müller-Gemmeke, auf eine Anfrage hin zukommen ließ.2015, als das neue Mindestlohngesetz in Kraft trat, waren unterfrankenweit immerhin 230 Betriebe im Gastgewerbe geprüft worden, sagt Ocak. Allein im Kreis Bad Kissingen zählt die Gastro-Branche aber bereits 217 Betriebe. "Eigentlich müssten alle dreimal im Jahr kontrolliert werden, denn wozu haben wir sonst ein Gesetz?", kritisiert er.
Der Zoll müsse sein Personal aufstocken, fordert Ocak. Gerade im Bäderlandkreis Bad Kissingen, in dem das Gastgewerbe eine sehr große Rolle spielt, müssen seiner Ansicht nach die Kontrollen ausgeweitet werden. Denn viele Kellner, Köche und Reinigungskräfte bekämen weniger als den Mindestlohn von 8,84 Euro pro Arbeitsstunde. Auch im Landkreis Bad Kissingen gebe es mindestens vier mittelgroße Hotels, die mit ihren Angestellten "nicht zimperlich" umgingen, so Ocak. Insgesamt überprüfte das Hauptzollamt Schweinfurt im Jahr 2016 rund 1100 Arbeitgeber auf Schwarzarbeit, Lohnprellerei und Betrug bei der Sozialversicherung, geht aus den Antworten des Ministeriums an die Bundestagsabgeordnete hervor. Wegen Verstößen gegen den Mindestlohn verhängten die Kontrolleure dabei Bußgelder in Höhe von 300 000 Euro und leiteten 174 Ermittlungsverfahren ein - 76 davon im Gastgewerbe.
Ocak weiß von Fällen aus dem Landkreis Bad Kissingen, in denen Arbeitgeber "nach allen Seiten tricksen", weil sie sich in Sicherheit wähnen. Seinen Worten zufolge wird dort zum Teil drei bis vier Euro unter dem Mindestlohn bezahlt. Ocak ist der Ansicht, dass rund 20 Prozent der Beschäftigten weniger als den Mindestlohn bekommen. "Die Politik hat den Mindestlohn per Gesetz vorgeschrieben. Jetzt muss sie endlich dafür sorgen, dass er überall eingehalten wird, und muss beim Zoll mehr Personal einstellen." ikr