Druckartikel: Töten im Namen des Glaubens

Töten im Namen des Glaubens


Autor: Elisabeth Görner

Forchheim, Freitag, 12. Juni 2015

Historie  Zweifelhaften Ruhm erlangte der Hochstift Bamberg im Rahmen der Hexenprozesse. Bezirksheimatpfleger Günter Dippold erinnert in Forchheim an dieses dunkle Kapitel der fränkischen Geschichte.
Der zeitgenössische Stich zeigt die Hexenverbrennung zu Dernburg im Jahre 1555. Der Hexenwahn in Europa erreichte vor 400 Jahren einen traurigen Höhepunkt  Foto: dpa


von unserer Mitarbeiterin Elisabeth Görner

Forchheim — "Hexereiprozesse im Hochstift Bamberg" - ein Thema, das viele von uns doch mehr mit dem "finsteren" Mittelalter verbinden. Günter Dippold aus Lichtenfels, Bezirksheimatpfleger für Oberfranken und Dozent an der Bamberger Universität, gelang es jedoch auf beeindruckende und durchaus mahnende Weise durch seinen äußerst lebendigen Vortrag im Forchheimer Rathaussaal, eine Beziehung zwischen der Zeit des 16. Jahrhunderts und der Gegenwart herzustellen. Denn Vorurteile und gefährliche Ideologien - Ursprung der Hexenverfolgung - existieren natürlich auch heute noch.

Irrglaube und Mythen

Laut Dippold galt Zauberei noch bis ins 18. Jahrhundert in Europa als real. Wer magische Praktiken anwandte und damit einem anderem in irgendeiner Weise Schaden zufügte - besser: zuzufügen schien - beging ein Verbrechen und war mit dem Teufel im Bunde.
Hexenprozesse gab es hauptsächlich in der Zeit zwischen 1580 und 1670 sowohl in katholischen wie evangelischen Fürstentümern - entgegen der landläufigen Meinung ist die Hexenverfolgung kein reines Phänomen des Mittelalters. Auch dass alle Opfer Frauen waren, ist ein Irrglaube. So wurden auch Männer als sogenannte Drudner (fränkischer Wortursprung) verfolgt. Erstaunlich ist auch, dass nicht etwa die Inquisition die meisten Hexenprozesse angestrengt hat, sondern dass weltliche Beamte - wenn auch mit Unterstützung einzelner hochrangiger Geistlicher - die meisten Prozesse samt Folter angeordnet haben.
Die ersten Hexenprozesse im Hochstift Bamberg fanden unter den Fürstbischöfen Neithard von Thüngen (1594/95) und Johann Gottfried von Aschhausen(1612/13) statt. Die Bilder der beiden im kleinen Rathaussaal erregen deshalb inzwischen bei einigen Zeitgenossen Anstoß.

Hexenverfolgung in Bamberg

Kurz nach einem schweren Nachtfrost im Mai 1626, der Obst, Wein und Getreide schädigte und der aus Sicht der "Hardliner" nur von den "Wetter machenden" Hexen verursacht worden sein konnte, begann die größte Prozesswelle, die bis etwa 1630 andauerte.
1627 ließ der damalige Fürstbischof in Bamberg extra ein spezielles Hexengefängnis bauen. 1628 wurde die gesamte Familie des Hauptgegners der Hexenprozesse im Raum Bamberg, des Kanzlers Dr. Haan, kurzerhand hingerichtet.
Sowohl der Bamberger Generalvikar und Weihbischof Dr. Friedrich Förner (mit familiärer Beziehung zu Forchheim) als auch der damalige Coburger (evangelische) Generalsuperintendent hetzten gegen die Hexen. Auch aus dem Volk heraus kam die Klage "... warum man so lange zusehe, das ... die Zauberer unt Unholden die Früchten so gar verderben". Ausschlaggebend waren letztlich aber die regierenden Fürsten und deren Einstellung.
Tendenziell gab es in sehr großen Fürstentümern und in den Reichsstädten wie Nürnberg weniger Prozesse als in kleinen Gemeinden. In katholischen Regierungsgebieten kam es öfters zu Hexenverfolgungen als in evangelischen Orten.

Parallelen zum Holocaust

Die Hexenverfolgung im Bamberger Bereich war insgesamt "bestens " organisiert, wobei die Stadt Zeil am Main eine berüchtigte Rolle spielte: Es wurden nicht nur Haftorte in den Toren und Türmen der Stadtmauer angelegt, sondern sogar ein extra Ofen errichtet - um Holz für die Scheiterhaufen zu sparen.
Auf dem Bauwerk köpfte der Henker die Verurteilten, ins Innere führten zwei Eisentüren. Durch die obere wurden die Leichen auf einen Rost geworfen und durch die untere schürte man ein Feuer unter dem Rost. Es war ein Krematorium, das nur dem Zweck diente, die Hinrichtungen "wirtschaftlicher" zu gestalten. Parallelen zum nationalsozialistischen Massenmord an den Juden sind da kaum zu leugnen.
Bevor Günter Dippold schilderte, wie es langsam zur Beendigung der Hexenprozesse kam, führte er den zahlreichen Zuhörern noch zwei besonders anrührende, berühmt gewordene Schicksale vor Augen:
Das erste Beispiel war jenes der Wirtin Barbara Schwarz, die von Bamberg in das Gefängnis nach Zeil gebracht worden war, weil ein Nachbar sie wegen eines Streits um einen Abwasserkanal als Hexe denunziert hatte.

Ständige Folter

Sie gehörte zu den wenigen, die trotz dreijähriger Gefangenschaft und immer neuer Folterungen nichts gestand und sogar im September 1630 fliehen konnte.
Auf einen eigenen Brief hin an den Kaiser erhielt sie einen Schutzbrief und kehrte nach Hause zurück - doch ihr Mann wollte sie nicht mehr. Durch die Berührung mit dem Henker sei sie "unehrlich" geworden, kein Gast würde mehr bei ihm einkehren und kein Dienstbote bleiben. Noch tragischer war der Fall Dorothea Flock, der Frau des Bamberger Ratsherrn Georg Heinrich Flock: Zwar wandten sich Flock und seine Angehörigen an alle möglichen einflussreichen Einzelpersonen und Institutionen. Doch nur wenige Minuten bevor der Fürstbischof eine päpstliche Botschaft zugunsten der unschuldigen Frau überbrachte, wurde diese am 17. Mai 1630 geköpft und ihre Leiche verbrannt.
Ab dieser Zeit - nachdem allein zwischen 1626 und 1629 rund 600 Menschen getötet worden waren - schwächte sich die Hexenverfolgung ab, auch wenn der letzte Prozess mit tötlichem Ausgang wohl erst 1756 stattgefunden hat.
Die Geschichte der Hexenverfolgung ist noch heute sehr aktuell: Es zeige, so Dippold, wie leicht Vorurteile und fehlgeleitete Ideologien furchtbare Folgen haben können.