Druckartikel: Tagesfreizeit und Corona

Tagesfreizeit und Corona


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Freitag, 29. Mai 2020

Markus Häggberg Werner schimpft. Das tut er nicht oft, aber Corona geht ihm mittlerweile gehörig auf die Nerven. Er war sonst nie so und hielt sich stets etwas darauf zugute, ein entspannter Mensch mi...


Markus Häggberg Werner schimpft. Das tut er nicht oft, aber Corona geht ihm mittlerweile gehörig auf die Nerven. Er war sonst nie so und hielt sich stets etwas darauf zugute, ein entspannter Mensch mit Tagesfreizeit zu sein. Aber seit seine Frau nun neuerdings daheim im Homeoffice arbeitet, ist das ganze Gefüge durcheinandergeraten und der Familienfrieden brüchig. "Ich bin auch momentan total unausgeglichen", gesteht Werner und ich kenne ihn wirklich nicht als jemanden, der jammert. Wenn also schon er Beschwerde führt, dann muss was dran sein. Was er in letzter Zeit so alles mitmachen musste, ist schon erstaunlich. Man versetze sich nur mal in seine Lage: Da hat man Schichtdienst, und wenn man frei hat, dann muss man seinen eigenen Sohn beschulen. Und der ist nicht unbedingt eine Leuchte. Damit ist dann der Vormittag gelaufen. Seine Frau ist auch den ganzen Tag daheim und entweder man sieht sich vor lauter Homeoffice nicht oder, wenn man sich doch begegnet, dann spricht man über Berufliches. Und dauernd klingelt jetzt das Telefon, weil seine Frau Abteilungsleiterin ist, bestens informiert über innerbetriebliche Abläufe und für ihre Kollegen immer ein offenes Ohr hat. Auch am Telefon. Mit einem gepflegten Nickerchen ist da nichts mehr zu wollen und die Hausarbeit bleibt auch fast gänzlich an ihm hängen. Erst war das mit der Hausarbeit eine wohlmeinende Geste seinerseits, dann hat sich das aber irgendwie etabliert. Das alles belastet jetzt den Familienfrieden und dieser und jener Segen hängt schief. Der Himmel hängt für ihn nicht mehr voller Geigen, sondern eher voller verstimmter Maultrommeln.

Und kürzlich hätte Werner seinem Sohn sogar beinahe eine geknallt. So schlimm kam es nicht, er hat ihm letztlich nur eine gescheuert. Da gibt es graduelle Abstufungen, hat er mir mal erklärt. Na wie gesagt, Corona verlangt Werner gerade sehr viel ab. Und deshalb ist er eben unleidlich geworden. Aber ich schätze, es könnte auch damit zusammenhängen, dass er seine Geliebte jetzt trotz Tagesfreizeit nicht mehr bei sich daheim empfangen kann. Ist aber nur so ein Verdacht von mir.