Szenen in Licht und Farbe
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Bayreuth, Dienstag, 16. August 2016
Der Wagner-Kenner Josef Lienhart erinnerte mit einem Vortrag an Wieland Wagner.
Fast wäre der 50. Todestag von Wieland Wagner heuer am 17. Oktober ein wenig in Vergessenheit geraten. Wäre da nicht Josef Lienhart, früherer Präsident des internationalen Richard-Wagner-Verbandes. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth erinnerte der profunde Wagner-Kenner, der Neu-Bayreuth von Beginn an erlebt hatte, an den genialen Opernregisseur und Enkel Richard Wagners.
Er zeigte dabei zahlreiche Fotografien, die der einstige Festspielfotograf Siegfried Lauterwasser angefertigt hatte. Wieland habe nur Schwarz-Weiß-Aufnahmen zugelassen, berichtete Lienhart. Doch Siegfried Lauterwasser habe immer auch Farbbilder angefertigt, von denen die meisten bis vor Kurzem unveröffentlicht waren.
Jetzt sind sie in der neuen Geschichte der Festspiele zu sehent.
Wotan als Gott Zeus dargestellt
Im Vortrag von Josef Lienhart wurde vor allem deutlich, was es mit "Neu-Bayreuth" und mit der "Werkstatt Bayreuth" auf sich hatte. Für beide Begriffe steht der Name Wieland Wagner, beides hatte Wieland ausgefüllt, wie kein Zweiter. Das begann bereits 1951 bei den ersten Festspielen nach dem Zweiten Weltkrieg, für die Wieland alle vier "Ring"-Opern und den "Parsifal" inszeniert hatte. "Wieland Wagner wählte dazu die Grundlagen der griechischen Antike aus", sagte Lienhart. Beispielsweise habe er Wotan in Gestalt des unvergessenen Hans Hotter als den Gott Zeus dargestellt.Ganz konsequent und ganz entschieden habe Wieland auch im "Parsifal" seine neue Art der Inszenierung umgesetzt. Für ihn sei Licht das gewesen, was bei Richard Wagner die Malerei war. Sein Stil habe sich auf Andeutungen erstreckt, auf imaginäre Lichtsäulen beispielsweise, aber auch auf Farbe, etwa in der Darstellung der Hofgesellschaft seines "Tannhäusers" in Rot, der Farbe der Gotik. Wieland setzte seinen Stil fast bis zu seinem Tod 1966 fort. 1959 in seiner Bayreuther "Holländer"-Inszenierung etwa, in der 1960 die erst 20 Jahre junge Anja Silja für Leonie Rysanek eingesprungen war und ihr Debüt auf der Bühne des Festspielhauses gab. Die Inszenierung lief bis 1965, Josef Greindl als Daland habe dabei ausgesehen, als ob er einem Roman von Charles Dickens entsprungen wäre. Immer wieder werde deutlich, dass Wieland Wagner eine sehr enge Beziehung zur Kunstgeschichte hatte, sagte Josef Lienhart. Weitere Anklänge an die griechische Tragödie machte Josef Lienhart in Wieland Wagners Bayreuther "Lohengrin"-Inszenierung aus, die er als silberne Ritterlegende mit statuarisch aufgestelltem Chor zeigte. Anja Silja als Elsa habe dabei viel weniger leidend und passiv agiert als die Elsa in allen früheren Inszenierungen.
Über Wielands Tod hinaus seien, realisiert durch seinen langjährigen Assistenten Hans-Peter Lehmann, noch bis 1970 seine "Tristan"- und bis 1973 seine "Parsifal"-Inszenierung gezeigt worden. Doch schon 1963 habe sich Wieland in seiner "Meistersinger"-Inszenierung und später auch in seiner Stuttgarter "Lulu"-Deutung dem Neuen Realismus zugewandt. Die Festwiese sei plötzlich eine Shakespeare-Bühne gewesen, Vorbilder habe er unter anderem in Darstellungen des italienischen Renaissance-Malers Raffael gefunden, so Lienhart.