Druckartikel: Suche nach dem Einöd

Suche nach dem Einöd


Autor: Siegfried Sesselmann

Stadtsteinach, Montag, 21. März 2016

Im Stadtsteinacher Oberland gab es einmal das Einzel Güldenstein. Hier wurden einst Singvögel gefangen - zum Verzehr.
Auf dem Foto ist der Güldenstein als ein stattliches Anwesen zu sehen. Der Brotbackofen stand außerhalb des Hauses. Lebenswichtig war der Felsenkeller mit der Wasserquelle. Der Keller und der Wasserabflussgraben sind noch relativ gut erhalten. Foto und Repro: Siegfried Sesselmann


Siegfried Sesselmann

Bei einer Recherche stieß ich zufällig auf einen Eintrag "Karl Panzer, geboren 1914 in Güldenstein bei Heinersreuth". War hier Heinersreuth bei Kulmbach oder bei Bayreuth gemeint, jedenfalls war mir die Ortsbezeichnung Güldenstein bislang nicht geläufig. Also begab ich mich auf die Suche.
Da der Name Panzer in Wartenfels, in Reichenbach, in Schöndorf und in der Schmölz auftaucht, sollte die Suche schnell beendet sein. Doch auch in Stadtsteinach wohnt ein Reinhold Panzer, den man fragen könnte. Der Zufall half wie so oft. Besagter erzählte, dass dies sein Vater gewesen sei und die Einöde Güldenstein schon in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts von der Bildfläche verschwunden ist.


Eine lange Geschichte

In einer alten Karte aus dem Jahr 1835 erkennt man im Dreieck Köstenberg - Marmorsteinbruch Köstenhof - Schmölz einen Punkt mit der Bezeichnung Güldenstein. Der "Güldasta", wie er im Volksmund hieß, hat eine lange Geschichte. Erstmals 1550 bei den Herren zu Wildenstein erwähnt, erwarb der Graf Voit von Rieneck den Gesamtbesitz 1697. Als das Gebiet 1806 unter bayerische Herrschaft kam, wurde Güldenstein 1818 ein Ortsteil der Landgemeinde Heinersreuth und erhielt die Hausnummer 41.
Mit Franz Anton von Rieneck starb der Letzte seines Geschlechts. Das Ritterlehen Heinersreuth fiel nun an König Max Joseph von Bayern, den neuen Landesherren. Noch im selben Jahr verlieh er es an seinen verdienstvollen Finanzminister Maximilian von Lerchenfeld. Bis zur Gebietsreform im Jahr 1972 gehörte der Güldenstein zur politischen Gemeinde Köstenberg.
Im Historischen Atlas von Bayern findet man den Eintrag "Güldenstein, ein Gut mit Vogelherd". Wieder taucht eine neue Frage auf: Was ist ein Vogelherd? Nun ja, sie waren eine Stelle, bei der die Grundherren jemandem das Fangrecht für Vögel verliehen. So wurden auch in Güldenstein Finken, Lerchen, Meisen, Amseln, Feldhühner und Wachteln gefangen. Die Vögel landeten auf dem Speisezettel von wohlhabenden Bürgern und Gutsbesitzern.


Nur mit Kopf und Schwanz

Man verwendete Leim, Netze, Schlingen, Meisenkästen mit Ködern und kleine Lockvögel. Die Grundherrschaft kümmerte sich bei den genehmigten Vogelherden um die verordneten jährlichen Fangzeiten und um die Einhaltung der Verkaufsvorschriften. So durften beispielsweise Vögel jeglicher Größe nur mit ungerupftem Kopf und Schwanz angeboten werden, damit jedermann erkennen konnte, was er für einen Vogel kaufte.
Wie lange in Güldenstein der Vogelfang ausgeübt wurde, ist den vorhandenen Unterlagen nicht zu entnehmen. In Deutschland wurde bereits 1888 ein Vogelschutzgesetz erlassen, das den Fang zunächst merklich erschwerte und schließlich verbot. Übrigens: Der häufig anzutreffende Name "Vogler" rührt von dieser Tätigkeit in einem Vogelherd.
Seit 1883 finden sich bei den Eintragungen in den Heinersreuther Standesamtsbüchern für die Bewohner des Güldensteins die Berufsbezeichnungen Waldhüter, Tappenmacher und Handweber. Mit Sicherheit fristeten die Bewohner dieses hanglagigen Flurstücks vom kargen Ertrag in harter Arbeit ein beschwerliches Leben. Ohne die Kartoffeln von den Feldern und das Heu von der Wiese, das sie zum Füttern ihrer zwei Kühe brauchten, wäre ein Überleben unmöglich gewesen.


Anstrengende Fußmärsche

Mussten die "Güldastaner" zum Bürgermeister der Gemeinde Heinersreuth, warteten fünf Kilometer Fußmarsch einfach auf sie. Zur Schule in Elbersreuth, die seit 1778 nachweisbar belegt ist, waren es "nur" drei Kilometer.
Beim sonntäglichen Kirchgang nach Wallenfels waren die katholischen Güldastaner eine gute Stunde unterwegs. Um fertige Web- und Strickwaren nach Bernstein oder Löhmar zu bringen, benötigte man ungefähr die gleiche Zeit.
Eine Wanderung zu dieser 528 Meter hoch gelegenen historischen Stelle lohnt sich auf alle Fälle. Eine Sitzgruppe lädt die Wanderer zum Innehalten ein, und eine sehr gut gestaltete Tafel des Heimatforschers Richard Seuß informiert über diese einsame Gegend, die im Winter oft völlig von der Außenwelt abgeschnitten war.
Auch anderenorts gab es solche Stellen, bei denen der Vogelfang gestattet war - auch in Kulmbach auf dem Rehberg gibt es noch eine Flurbezeichnung, die darauf hinweist.
Im Gemeindegebiet Marktleugast wurde im Jahr 2010 ein zwei Kilometer langer Forstweg in Marienweiher mit dem Namen "Vogelherd" eingeweiht. In Leuchau bei Kulmbach ist ein steinerner Vogelherd zu finden, dessen Alter und Funktion dieser kreisrunden Vertiefung im Felssandstein unbekannt ist. Ein Streit um den Windpark Vogelherd bei Lochau und Busbach beschäftigt zurzeit die Landratsämter Bayreuth und Kulmbach. Vögel standen früher wohl überall auf der Speisekarte.