Druckartikel: Stofftasche hat Hochkonjunktur

Stofftasche hat Hochkonjunktur


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Herzogenaurach, Freitag, 22. April 2016

Dass Plastiktüten der Umwelt schaden, ist nichts Neues. Neu ist dagegen eine EU-Richtlinie, die den Verbrauch deutlich senken will. Bei einem Streifzug über einen Supermarkt-Parkplatz wird klar: die Herzogenauracher kommen ohne Tüte aus.
Das Ehepaar Dichter ist mit Stofftaschen und einem Korb sowie der Kühltasche im Auto bestens für den Einkauf gerüstet. Foto: Richard Sänger


Auf dem Nachhauseweg noch rasch Haltmachen beim Supermarkt. Der Griff zur Plastiktüte ist nicht weit, denn überall sind sie zur Hand - für ein paar Cent oder in einigen Märkten sogar immer noch gratis.
Werden die Tüten nach dem Einkauf allerdings nicht widerverwendet und falsch entsorgt, kann die Umwelt dadurch gefährdet werden. Etwa durch feine Plastikpartikel im Wasser. Doch es gibt eine neue Regelung: Die EU-Plastiktütenrichtlinie vom April 2015 verpflichtet nämlich alle Mitgliedstaaten, ihren Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten bis Ende 2019 auf 90 Tüten pro Jahr zu verringern.


Vorbereitet Einkaufen gehen

Ob die Statistik über den Verbrauch von Plastiktüten aber tatsächlich stimmt, kann zumindest in Herzogenaurach bezweifelt werden. Der Griff an der Kasse zu den Plastiktüten-Stapeln sei nach Auskunft des Kassenpersonals eher selten: "Die meisten unserer Kunden haben Stoffbeutel oder einen Korb dabei", erklärt eine Mitarbeiterin im Kaufland.
Die Stichproben an mehreren Tagen bestätigten diese Aussage. Denn die meisten Kunden verließen den Supermarkt entweder mit Stoffbeuteln oder einem Korb und bei größeren Einkäufen wurde der Inhalt der Einkaufswagen direkt in den Kofferraum verstaut.
So hatte das Herzogenauracher Ehepaar Dichter zum Beispiel im Kofferraum einen Korb und eine Kühltasche stehen, um die Einkäufe unterzubringen. "Es langt schon, dass nahezu alle Lebensmittel in Plastik eingepackt sind", schimpft die Ehefrau.
Deshalb habe sie noch nie an der Kasse eine Plastiktüte gekauft. Ihrer Meinung nach sollte der Umweltschutz schon etwas ernster genommen werden, schließlich seien schon die Bilder im Fernsehen von dem Plastikmüll in den Meeren schockierend, findet die Herzogenauracherin. Genauso verurteilt sie den Plastikmüll an den Straßenrändern und die herumliegenden Getränkeflaschen.
"In den größeren Städten scheint das gang und gäbe zu sein", beobachtet Christina Binder und vermutet, dass die jungen Mütter die Einkaufstüten vielleicht zum Entsorgen der gebrauchten Windeln benötigen. "Ich habe im Auto immer ein paar Stoffbeutel dabei. Zur Sicherheit habe ich in der Handtasche noch eine faltbare Stofftasche dabei", erzählt die Frau aus Falkendorf.


Plastik versaut die Landschaft

Eine von diesen faltbaren Tragetaschen hat auch der Aurachtaler Bürgermeister Klaus Schumann immer dabei, wenn er zum Einkaufen geschickt wird. "Die ist sogar schon etwas älter, Jute statt Plastik steht da drauf." Für Schumann ist die Mitnahme von Plastiktaschen an den Supermarktkassen verantwortungslos und reine Bequemlichkeit. Seiner Meinung nach sollten die Einkaufstüten aus Plastik richtig teuer werden.
Schumann selbst konnte sich beim Aurachtaler "Dreck weg Tag" persönlich überzeugen, wie viele Plastikflaschen und Tüten in der Landschaft entsorgt werden. Die Familie von Stefan Schobert geht auch mit Stofftaschen oder einem Korb zum Einkaufen, aber Steffi Schobert kennt schon einige Bespiele. Zum Beispiel beim Kauf von Kleidungsstücken: "Auch wenn ich die Plastiktüten nicht mag, man kann doch die Kleidungsstücke schlecht über dem Arm durch die Stadt tragen", erklärt sie. Für diese Tüten finde sie anschließend aber auch eine Verwendung - als Mülltüte in der Restmülltonne.


Nicht mehr kostenlos

Plastiktüten haben ein nahezu ewiges Leben. Für die Umwelt ist das ein Problem. Deshalb hat die Europäische Union dem beliebten Verpackungsmittel den Kampf angesagt. So wurden ab 1. April Tüten in vielen Läden kostenpflichtig - eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels, bevor ein gesetzlicher Zwang kommt.
Auf eine Billion Plastiktüten pro Jahr schätzen Umweltverbände den weltweiten Verbrauch. Allein in Deutschland verwendet jeder Einwohner nach Angaben des Umweltbundesamtes etwa 71 Einwegkunststofftüten jährlich. Im europäischen Vergleich gehen die Deutschen weniger verschwenderisch mit der Plastiktüte um als viele andere Staaten: der EU-Durchschnittsverbrauch lag 2011 bei 198 Tüten.
Plastiktüten brauchen bis zu 500 Jahre, um vollständig zu zerfallen. Sie und andere Plastikabfälle vermüllen zunehmend die Meere. Selbst in der Arktis wurde Kunststoffmüll gesichtet, wie das Alfred-Wegener-Institut (AWI) bekanntgab. Darüber hinaus wird für die Produktion von Plastiktüten Rohöl benötigt, wofür jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid anfällt. Die Deutschen verbrauchen jährlich 68 000 Tonnen Kunststoff - allein für Plastiktüten.