Stein gewordenes Symbol für Toleranz
Autor: Martin Koch
Coburg, Freitag, 06. Oktober 2017
Die St.-Nikolaus-Kapelle feiert am Sonntag, 15. Oktober, ihr goldenes Kirchweihjubiläum. Ihre Geschichte ist sehr bewegt.
Das kleine Gotteshaus im Coburger Süden gibt es schon seit dem 15. Jahrhundert. Aber vor 50 Jahren, am 23. September 1967, wurde die Nikolauskapelle nach fünfjährigen Sanierungsarbeiten neu geweiht. Sie dient seit dieser Zeit der alt-katholischen Gemeinde.
Der Festgottesdienst zum Kirchweihjubiläum beginnt um 14 Uhr. Er wird gefeiert von Bischof Matthias Ring, dem geistlichen Oberhaupt der Alt-Katholiken in Deutschland.
Religiöses Miteinander
Die St.-Nikolaus-Kapelle ist ein Stein gewordenes Symbol für Toleranz und das interreligiöse Miteinander in Coburg. Sie diente im Laufe ihrer Geschichte fünf Bekenntnissen als Gotteshaus. In ihr feierten vor den Alt-Katholiken römisch-katholische und evangelisch-lutherische Christen ihre Gottesdienste, aber auch Baptisten (evangelisch-freikirchlich) waren dort zu Hause. 1873 beantragte die damalige Israelitische Kultusgemeinde Coburgs die Nutzung der Kapelle. Der Stadtrat gewährte der jüdischen Gemeinde "zum alleinigen und ewigen Gebrauche" die Nutzung. Die Kapelle wurde zur Synagoge umgebaut. Eine Frauenempore entstand, ebenso eine Außentreppe und ein sechseckiger Vorbau. Der Coburger Stadtbaumeister Max Böhme war an den Umbauarbeiten beteiligt. Von Böhms Wirken in Coburg zeugen heute unter anderem noch die Heilig-Kreuz-Schule oder das ehemalige Kaufhaus Connitzer in der Spitalgasse, heute eine Filiale der Deutschen Bank. Das Ernst-Alexandrinen-Volksbad fiel leider in den 1970er Jahren der Spitzhacke zum Opfer.Die Nikolauskapelle wurde in einem sumpfigen Gebiet vor der südlichen Stadtmauer als Kapelle eines Siechenhauses (Krankenhauses) erbaut. Das Siechenhaus selber soll 1442 entstanden sein. Eine steinerne Inschrift weist für die Kapelle selber das Jahr 1473 aus. Ihr Patron ist der populäre Kinderfreund und vorweihnachtliche Gabenbringer Nikolaus, in der Antike Bischof von Myra, dem heutigen Demre an der türkischen Mittelmeerküste. Nikolaus gilt auch als Patron und Helfer für Pilger und Reisende, in Not geratene oder von ansteckenden Krankheiten geplagte Menschen. Das Siechenhaus bestand bis 1709, später wurden ein Armenhaus und ein Altersheim daraus. Das frühere Siechenhaus steht nicht mehr.
Der nationalsozialistisch dominierte Magistrat kündigte der Israelitischen Gemeinde im Jahr 1932 die Nutzung der Kapelle. Von der Zeit als Synagoge zeugt heute noch, oder besser gesagt wieder, ein steinernes Medaillon mit den Resten einer abgeschlagenen Inschrift. Diese zitierte einen Vers aus dem Psalm 118: "Dies ist das Tor des Herrn!". In neuzeitlicher Form, als Glasplatte über der beschädigten Sandsteinkartusche ist diese Schrift seit 2016 wieder sichtbar.
Schönstes Schmuckstück der Kirche sind die Wandfresken. Hinter dem Altar blickt mit freundlichem Ernst Jesus Christus am Kreuz auf die Gläubigen herab. Außergewöhnlich ist die Haltung, die keinen mit dem Tode ringenden Menschen zeigt. Er steht segnend am Kreuz. Er präsentiert sich als Heiland, der Tod und Leiden überwunden hat und sich den Gläubigen zuwendet.
Die alt-katholische Kirche, die heute die Nikolauskapelle nutzt, ist aus einer katholischen Reformbewegung des 19. Jahrhunderts entstanden. Viele Gläubige konnten die im Ersten Vatikanischen Konzil beschlossenen Lehren von der Unfehlbarkeit und der obersten Rechtsgewalt des Papstes nicht akzeptieren. Um der drohenden Exkommunikation Paroli zu bieten, gründete sich die alt-katholische Kirche.
Einige Unterschiede
Die Alt-Katholiken in Coburg arbeiten in der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen" (AcK) mit. Sie engagieren sich in der Ökumene und bei interreligiösen Begegnungen. Die Geistlichen sind keinem Zwangszölibat unterworfen. Das geistliche Amt, Bischof, Priester und Diakon, steht Männern und Frauen gleichermaßen offen. Die alt-katholische Kirche lädt gläubige Christen aller Konfessionen zum Empfang der Kommunion, also des Abendmahls ein. Mit den anglikanischen und den evangelischen Christen ist die eucharistische Gastfreundschaft sogar ausdrücklich vertraglich geregelt.Für Bischof Matthias Ring ist das Kirchweihjubiläum der Nikolauskapelle in Coburg fast ein Heimspiel. Ring kam 1963 in Wallenfels auf die Welt. Er besuchte das von 1977 bis 1982 zunächst das Kaspar-Zeuß-Gymnasium und das Frankenwaldgymnasium in Kronach. Von 1982 bis 1988 studierte Matthias Ring an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Theologie. Er promovierte an der Universität Bern. Das Thema seiner Doktorarbeit "Katholisch und Deutsch. Die alt-katholische Kirche Deutschlands und der Nationalsozialismus."