Druckartikel: Stadttor war den Panzern im Weg

Stadttor war den Panzern im Weg


Autor: Thomas Malz

Münnerstadt, Donnerstag, 13. Februar 2020

Zu den verlorenen Schätzen der Stadt Münnerstadt zählt das Untere Tor. Der Turm wurde 1945 von den Amerikanern gesprengt. Verschiedene Versuche des Wiederaufbaus scheiterten. Das Tor gehört zu den verlorenen Schätzen der Stadt.
Das Untere Tor stand am nördlichen Ausgang der Stadt. Am 21. April 1945 wurde es von den Amerikanern gesprengt.  Foto: Stadtarchiv Münnerstadt


Da waren es nur noch drei. Bei den Bombenangriffen der US-Amerikaner kurz vor Kriegsende waren zwar Teile der Innenstadt zerstört worden, die vier alten Stadttore Münnerstadts kündeten aber weiterhin von der früheren Wehrhaftigkeit der Stadt. Nicht lange. Am 21. April 1945 sprengten die US-Amerikaner das Untere Tor, weil es den Panzern im Wege stand. So schlimm das auch war, so hatten die Amerikaner doch das unbedeutendste der vier Stadttore erwischt.

Der Ordner mit Dokumenten über das Untere Tor im Münnerstädter Stadtarchiv ist gut gefüllt. Etliche Fotos haben sich erhalten, dazu Abhandlungen, die unter anderem im Vinculum und den Tageszeitungen erschienen sind. Die wohl ausführlichste hat Augustinerpater Matthäus Zimmermann im Jahr 1952 verfasst.

Die Angaben in den Veröffentlichungen weichen teilweise voneinander ab, die erste urkundliche Erwähnung des "nyder tore" war aber sicher im Jahre 1315. Daher dürfte das Tor zur Erstausstattung der Stadtbefestigung gehört haben, die im 13. Jahrhundert errichtet wurde.

Tor 1755 neu errichtet

Nachdem die alte Siedlung aufgegeben wurde, verlor auch der Dicke Turm an Bedeutung, er wurde schließlich zugemauert. Fortan führte der Weg durch das Untere Tor in Richtung Burglauer und Bad Neustadt. Auch die Bezeichnung "steinernes Tor" ging vom Dicken Turm auf das Untere Tor über. Gerätselt wurde lange Zeit, wann das letzte Tor gebaut worden war, das schließlich von den Amerikanern gesprengt wurde. Das geschah offensichtlich im Jahr 1755, das alte Tor hatten die Münnerstädter zuvor abgerissen, weil es baufällig geworden war.

Pater Matthäus Zimmermann hat sich ganz intensiv mit der Geschichte des Unteren Tores befasst. Er ging auf die Türmer ein, die eine Neujahrsgabe von der Stadt und vom Kloster bekamen. Weil der Türmer immer oben sein musste, gab es einen anderen Mann am Tor, der Torwart genannt wurde. Er hatte ein zweistöckiges Haus mit Schweinestall an der Mauer. Pater Matthäus kam zu dem Schluss: "Die Türmer und Torwärter waren alle arme Leute. Sie kamen zwar auf die hohen Türme, aber auf keinen grünen Zweig."

Pater Matthäus vermutet zwei Gründe für den Abriss des vorletzten Tores. Baufälligkeit und/oder dass es nicht mehr den militärischen Anforderungen entsprach. Für den zweiten Grund spricht, dass im Jahr 1754 der Ingenieur und Leutnant Räder von Würzburg das Tor besichtigte und sofort einen neuen Plan entwarf. Detailliert wird aufgeführt, wer wie viel für den Abriss des alten und den Neubau des neuen Tores bekam. So trugen beispielsweise Fröner und Handwerker das Gebälk auf den Turm, wofür sie 40 Maß Wein und 35 Wecke erhielten.

Durch all die Jahrhunderte hinweg wurde das Untere Tor offensichtlich geringer geschätzt als die anderen drei Stadttore. Manche Chronisten vermuteten sogar, die Amerikaner hätten es möglicherweise nicht gesprengt, wenn es dem Jörgen- oder dem Oberen Tor geglichen hätte. Fest steht, dass es am 21. April 1945 in Schutt und Asche fiel.

Max Lenhardt (†) hat die Sprengung als elfjähriger Bub erlebt. Der gebürtige Münnerstädter wohnte damals direkt neben dem Unteren Tor.

Gegen 9 Uhr am 21. April kamen Amerikaner ins Haus und forderten die Familie auf, das Haus bis 9.30 Uhr zu verlassen, erinnerte er sich vor 15 Jahren bei einem Gespräch mit dieser Zeitung.

Schwein in der Scheune versteckt

Ein soeben geschlachtetes Schwein wurde gevierteilt und in Tüchern verpackt in der Scheune versteckt. Schnell hängten die Lenhardts noch ein paar Fenster aus und verstauten sie im Keller. Max Lenhardt und seine Geschwister wurden bei Bekannten untergebracht, dort suchten sie auf dem Dachboden einen Ausguck, von dem sie einen guten Blick auf das Untere Tor hatten. Um 12.30 Uhr hörten sie einen großen Knall und sahen eine riesige Staubwolke. Das war das Ende des Unteren Tores.

Im Laufe der Jahre gab es mehrfach Bestrebungen, das Untere Tor wieder aufzubauen, unter anderem vom früheren Stadt- und Kreisheimatpfleger Peter Genth. Später wurde es sogar tatsächlich wieder aufgebaut, allerdings als kleines Modell. Letztmalig machte das Untere Tor vor zwölf Jahren von sich reden. Im Rahmen des Bildhauer-Symposiums im Jahr 2008 zeichneten zwei Künstlerinnen den Schattenwurf des nicht mehr vorhandenen Tores auf der Straße nach.