Spaziergänger machen Theater
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Mittwoch, 23. Sept. 2020
Das Junge Theater Forchheim hat auf den Corona-Lockdown kreativ reagiert - und ein neues Spiel-Format entwickelt. Der Zuschauer wird zum Spieler, die Stadt wird zur Bühne.
Ekkehard Roepert Forchheim — Ein Theater, das ohne Bühne auskommt, ist undenkbar. Zwar hat der Corona-Lockdown auch das Junge Theater Forchheim (JTF) gezwungen, seine Spielstätte in der Kasernstraße zu schließen; doch haben sich die Theatermacher deshalb die Spiellaune nicht verderben lassen.
"Hör mal: Fortschritt", heißt die jüngste Produktion. Damit setzten Lorenz Deutsch (Künstlerischer Leiter) Martin Borowski (Regisseur und Theaterpädagoge) und Janet Siering (JTF-Vorstand) ein Konzept um, das die ganze Stadt zur Bühne macht.
"Theater auf Abstand funktioniert nicht wirklich", sagt Lorenz Deutsch. Da auf der 6 mal 3,5 Meter kleinen Bühne in der Kasernstraße kein Raum für Akteure ist, die miteinander spielen und zugleich Corona-Abstandsregeln beachten können, erprobt das JTF nun dieses neue Format: ein Hörspiel mit theatralischen Mitteln. Der Theaterbesucher wird zum Spaziergänger, der sich während eines einstündigen Rundgangs durch Forchheim zugleich als Zuschauer und als Schauspieler erleben kann.
Via Kopfhörer und MP3-Technik werden die Spaziergänger durch die Stadt gelenkt. Das Hörspiel ist eine eigenwillige und unterhaltsame Mischung: Interaktionsspiel, Stadtführung und zugleich Einführung in die Kulturgeschichte der Theatermaske.
Martin Borowski spricht von einem "Bürger-Theater, in dem man sich trotz Maske begegnet". Der Theaterpädagoge hatte die Idee, auch Forchheimer Bürger bei diesem Audiospaziergang zu Wort kommen zu lassen: Eine Kinobetreiberin, eine Teppichhändlerin und ein Caritas-Mitarbeiter erzählen, wie Corona die Geschäftswelt und das soziale Miteinander verändert haben.
"Das Format ist zeitgemäß, es funktioniert auch unter Abstandsbedingungen", sagt Janet Siering. Sie betrachte die neue Produktion als "Ergänzung zum normalen Theaterbetrieb - es ist mehr als eine Notlösung". Das heißt: Auch wenn das JTF zu einem normalen Theaterbetrieb zurückgekehrt sein wird, könnte diese Form des Bürgertheaters im Programm bleiben. Aus "Hör mal: Fortschritt" könnte eine Reihe werden, sagt Lorenz Deutsch. Gelungen sei die Produktion aber nur dank der großzügigen Unterstützung der Stadt. "Sie übernahm über die Hälfte der Projektkosten".