Sozialer Kämpfer gegen den Krebs
Autor: Stefan Zopf
Lichtenfels, Dienstag, 08. Juli 2014
Lebensmut Hans Morhard war der Macher des Korbmarktes und Erfinder der Korbstadtkönigin. Auch nachdem er die todverheißende Diagnose erhielt, engagiert er sich für andere - als Vorsitzender des Fördervereins krebskranker Patienten Coburg.
von unserem Redaktionsmitglied Stefan Zopf
Lichtenfels/Coburg — Klein beigeben war noch nie seine Sache. Schon als Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft "Treffpunkt Lichtenfels" hat er seine Ziele und Ideen hartnäckig verfolgt, ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen. Hans Morhard (67) ist eine Kämpfernatur, die sich nicht mit Widrigkeiten abfindet. Und genau diese Persönlichkeit braucht er auch, um die bisher größte Herausforderung in seinem Leben zu meistern. Er erzählt hier seine Geschichte, die anderen Krebspatienten Mut machen soll.
Hans Morhard wurde im April 1947 in Aschaffenburg geboren, und im April vor zweieinviertel Jahren erfuhr er, dass er Krebs hat.
Ironie des Lebens? Sollte sich der Kreis schon schließen? Als sich diese Frage für ihn stellte, war es kaum ein Trost, dass er in Lichtenfels bereits bleibende Spuren wie den größten Korb der Welt vor dem Rathaus, der auf eine Idee von ihm zurückging, hinterlassen hatte.
1971 war er in die Korbstadt gekommen und hatte mit seiner Frau Margit ein Markenschuhgeschäft übernommen. Eigentlich war er ja gelernter Speditionskaufmann und schon in jungen Jahren bei der weltweit tätigen Aschaffenburger Firma Birkart mit Führungsaufgaben betraut. Doch sein Schwiegervater, selbst Inhaber eines Schuhgeschäftes dieser Marke in Mellrichstadt, hatte ihn in einem nächtlichen Gespräch über seine Zukunft bis 4 Uhr morgens bearbeitet, bis Morhard schließlich einwilligte, das in Lichtenfels frei werdende Geschäft zu übernehmen.
Hans Morhards Unternehmergeist führte dazu¸ dass aus dem einen Geschäft
bald drei Schuh- und Sportartikelgeschäfte wurden. Was er allerdings in Lichtenfels vermisste, waren Marketing-Aktivitäten einer Werbegemeinschaft. Deshalb ergriff er selbst die Initiative, indem er 1972 die Aktionsgemeinschaft "Treffpunkt Lichtenfels" gründete, "um Lichtenfels attraktiver zu gestalten und seine Einzigartigkeit als Deutsche Korbstadt bekannter zu machen". Aus dem gleichen Grund entwickelte Morhard, der bis 2002 Vorsitzender der Werbegemeinschaft war, auch die Idee des Korbmarkts, die im September 1979 verwirklicht wurde. Aus bescheidenen Anfängen entstand, mit Hilfe wichtiger Mitstreiter wie Gerhard Deuerling, Hans-Jürgen Rautenberg, Alfred Schneider und Paul Blomeier, im Laufe weniger Jahre die größte Veranstaltung im Landkreis Lichtenfels.
Nachdem Hans Morhard, der sein letztes eigenes Geschäft 1990 aufgegeben hatte, noch als "Leiter Zentralverkauf Osteuropa" der Schuhfabrik Bama gearbeitet hatte, ging er vor vier Jahren
in den Ruhestand. "Sieh jetzt mal zu, dass Du in Urlaub fährst und Dir was gönnst", legten ihm seine Kinder ans Herz. Doch nach nur eineinhalb Jahren nahm das Leben von Hans Morhard eine dramatische Wende. Wegen starker Müdigkeit und Gewichtsabnahme suchte er seinen Hausarzt auf. Dieser entdeckte in seinem Rachen "etwas" und sagte nur: "Das könnte was sein." Morhard ging darauf zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt, und dieser stellte sofort die Diagnose: Krebs! Es wurden Gewebeproben entnommen und zur Untersuchung in ein Labor geschickt. Das genaue Ergebnis war noch niederschmetternder: Niedrig malignes Non-Hodgkin-Lymphom der B-Zell-Reihe (eine bösartige Erkrankung eines Teils des Immunsystems), im Stadium IV. Im Klartext bedeutet das: behandelbar, aber nicht mehr heilbar.
Wie seine Frau Margit bemerkt, habe Hans Morhard immer gedacht, bei bester Gesundheit 100 Jahre alt zu werden.
Und nun dieser Schock! "Die Prognose lautete, dass ich mit einem schnellen Ableben rechnen müsse", erinnert sich Morhard nur zu gut an diese Hiobsbotschaft.
Sein erster Gedanke war: "Was passiert mit meinen Kindern, Enkeln und meiner Frau? Um mich selbst hab ich mir keinen Kopf gemacht."
Ohne eine Spur von Selbstmitleid erzählt Morhard weiter, so als ob er gerade über etwas Banales wie das Wetter redete. Unmittelbar nach der Diagnose hatte er freilich schwer zu kämpfen, mischte sich Depression mit Bitterkeit: Sein ganzes Leben lang hatte er geschuftet und gebuckelt, und jetzt sollte er aus dem Leben gerissen werden und nichts dagegen tun können?
Sein Sohn Florian (35) erlebte es das erste Mal, dass sein Vater, der sonst in jeder Lebenssituation eine Lösung gewusst hatte, plötzlich ratlos war.
Und Dinge, die ihm, Florian, immer als selbstverständlich erschienen waren, bekamen plötzlich ein ganz anderes Gewicht: Nach der Krebsdiagnose im April vor zweieinviertel Jahren wurde es Florian auf einen Schlag bewusst, dass er seinen Geburtstag im September vielleicht gar nicht mehr mit seinem Vater würde feiern können.
Mit der Krankheit leben
"Wir saßen zusammen, und es flossen auch Tränen", räumt Florian freimütig ein. "Aber zwei Wochen später war der Kampfgeist meines Vaters wieder erwacht." Und das lag vor allem an Christof Lamberti, Chefarzt der Hämatologie und Onkologie des Klinikums Coburg, der Hans Morhard mit einem einzigen Satz neuen Lebensmut einhauchte: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sterben, weil sie auf die Straße gehen und totgefahren werden, ist viel höher, als diejenige, dass Sie an dieser Krankheit sterben - bei entsprechender
Behandlung." Dieses Gespräch hat das Loch, in das Morhard nach der Krebsdiagnose gefallen war, nach eigener Aussage "zugeschüttet". Lamberti habe ihm erklärt, wie er mit Krebs umgehen, leben und aktiv bleiben könne, wie er es schaffe, nicht aufzugeben. Morhard: "Wenn ich sage, dass ich gerne nach Coburg fahre, dann stimmt das, denn dort ist man immer willkommen." Vom ersten Tag an habe er dort eine freundliche und menschliche Behandlung erfahren. Doch dabei blieb es nicht: Nach eindreiviertel Jahren fragte Chefarzt Lamberti Hans Morhard, ob dieser nicht den vakant werdenden Vorsitz des Fördervereins krebskranker Patienten Coburg und Umgebung übernehmen wolle. Gesucht werde jemand, "der das auch machen kann". Nachdem ihn seine Familie darin bestärkt hatte, nahm Morhard diese Offerte am gleichen Tag an, obwohl er eigentlich kein Ehrenamt mehr annehmen wollte. "Ich hatte gemerkt, welches menschliche Elend durch die Krankheit Krebs entsteht.
Andere, die nicht ein so gutes familiäres Netz haben wie ich, die alleine sind, um die sich niemand kümmert, die geraten dadurch in eine echt schlimme Situation. Wenn ich da abgesagt hätte, wäre ich ein schofler Mensch gewesen. Das hätte ich nicht überwunden", erklärt Morhard seinen Sinneswandel.
Es gebe viele Institutionen, die sich um Spenden bemühen, die aber auf wirtschaftlicher Basis geführt würden. Die Gelder gingen dann auch für Löhne, Honorare, Büros oder sonstige Dinge drauf. "Unser Förderverein ist ehrenamtlich", macht Hans Morhard den Unterschied deutlich. "Spenden und Mitgliedsbeiträge kommen zu 100 Prozent und auf seriöse Weise den Patienten zugute. Wir nehmen auch keine Spesen- oder Sitzungsgelder."
Die Mitgliedsbeiträge des Fördervereins reichten aber nicht aus, alle Ziele (siehe Infobox) zu verwirklichen.
Deshalb brauche der Verein dringend Unterstützung durch Spender und Sponsoren aus Gesellschaft, Wirtschaft und Institutionen. An sie alle appelliert Hans Morhard.
Dank der guten Behandlung, die ihm selbst widerfuhr, hat er seit seiner Krebsdiagnose nicht nur mehrere Geburtstage seiner Kinder mitgefeiert, sondern auch die Geburt seiner Enkel Nummer vier und fünf, Julius und Maximilian, erlebt.