So wird das Haus zur Burg
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Mittwoch, 08. April 2020
In Zeiten wie diesen ist es ein gutes Gefühl, etwas zum eigenen Schutz zu tun. Auch wenn die Zahl der Wohnungseinbrüche seit Jahren rückläufig ist, darf man nicht leichtsinnig werden. Gauner finden immer wieder neue Wege.
Günter Flegel und Anika Ferko Es ist ein Siedlungsgebiet wie so viele in Franken, doch auf den zweiten Blick ist offenkundig, dass hier vieles anders ist: Alle Häuser sind von Mauern und Zäunen geschützt. Auf den Torpfosten und am Haus sind Kameras. Das Schild eines Sicherheitsdienstes weist diskret aber unübersehbar darauf hin, dass wachsame Augen unterwegs sind.
In dem Dorf hatten vor knapp drei Jahren "Fensterbohrer" zugeschlagen. Die Bande professioneller Einbrecher wird für eine ganze Serie von Straftaten verantwortlich gemacht, die immer nach dem gleichen Schema abliefen. "Die Einbrecher setzen einen Bohrer am Fenster- oder Türrahmen direkt neben dem Griff an. Durch das Loch öffnen sie mit einem gebogenen Draht das Fenster", beschreibt ein Polizeisprecher die Masche.
Es dauert meist nur Minuten: Fenster auf, rein ins Haus, mit Beute raus und weg auf die nahe Autobahn. Die Täter waren sich ihrer Sache so sicher, dass sie tagsüber aktiv wurden, wenn die Eltern auf der Arbeit und die Kinder in der Schule sind. "Moderne Wohnsiedlungen sind ja um diese Zeit fast menschenleer. Und wenn da mal ein Lieferwagen steht, denkt man eher an einen Handwerker oder einen Paketdienst", erklärt die Polizei die nahezu perfekte Tarnung der Ganoven. Die nehmen es in Kauf, bei ihrem Raubzug mehr Schaden anzurichten als Beute zu machen.
Psychische Belastung
Immens ist auch der psychologische Schaden. Die Betroffenen leiden bis heute unter dem Gefühl, dass ihr persönlichster Lebensbereich von Fremden verletzt wurde. "Ich war drauf und dran, nach dem Einbruch das Haus zu verkaufen", erzählt einer der "Siedler", die nach den Vorfällen aufgerüstet haben: Seither gleicht das Wohngebiet einer Festung. "Man fühlt sich zwar sicherer, aber irgendwie auch eingesperrt."
Dass die psychische Belastung für die Betroffenen oft sehr hoch ist, kann der Coburger Kriminalhauptmeister Christian Wollinger bezeugen. "Das Gefühl der Unversehrtheit und Sicherheit wird durch einen Einbruch massiv gestört." Laut Wollinger ginge es den Betroffenen oft nicht um den materiellen Schaden, der während des Einbruchs entstanden ist. Auch die Frage, ob die Versicherung bezahle oder nicht, sei zweitrangig. "Es geht an die Psyche. Die Täter fassen persönliche Gegenstände an, durchwühlen private Räume. Für die Opfer ist so ein Einbruch oft sehr traumatisierend."
Traumatische Erlebnisse
Als Außenstellenleiter des Weißen Ringes Bamberg hat auch Michael Düthorn direkten Kontakt zu Betroffenen. Gemeinsam mit der gesamten Institution fungiert er als lokaler Ansprechpartner in Sachen Opferhilfe und Kriminalprävention. "Sie müssen sich in die Lage der Betroffenen hineinversetzen. Sie kommen in ihr Zuhause und ihre Sachen sind durchwühlt, alles ist verwüstet. Die Angst, dass jemand in Zukunft wieder im Haus steht, ist immens."
Für die Opfer sei es laut Düthorn oft einfacher, die traumatischen Erlebnisse und einhergehenden psychischen Probleme Fremden anzuvertrauen, als den eigenen Angehörigen. Dass sich ein Betroffener beim Weißen Ring meldet, sei jedoch eher seltener: "Jeder Opferfall ist anders. Grundsätzlich muss der Betroffene aber bereit sein, sich zu öffnen. Nach so traumatischen Erlebnissen fällt das vielen schwer."