Sie sind die Corona-Detektive
Autor: Sabine Memmel
Forchheim, Dienstag, 27. Oktober 2020
Die Zahl der Corona-Infizierten steigt auch im Landkreis weiter an. Ein Besuch bei denjenigen, die alles versuchen, um die Pandemie in der Region bestmöglich in Schach zu halten.
Sabine Memmel "Es gibt Schicksale, die einen sehr mitnehmen", sagt Jill Maier, die gerade ihr Headset auf den Kopf setzt. Sie hat nicht viel Zeit. Ihr Blick wandert bereits über die ersten Anruflisten, die sie heute noch abzuarbeiten hat. Listen, die von Tag zu Tag länger werden. Denn die Zahl der Corona-Infizierten im Landkreis steigt weiter an. Es ist 8 Uhr morgens. Sie und ihre Kollegin Jessy Podszuck-Ott, die mit Abstand am Nachbartisch sitzt, werden deshalb auch heute nichts anderes tun, als pausenlos und unaufhörlich zu telefonieren, zu beraten, zu helfen und einfach alles zu unternehmen, um sämtliche Infektionsketten zu unterbinden.
Denn Maier und Podszuck-Ott sind beide Teil des Contact Tracing Teams (CTT) des Forchheimer Gesundheitsamts. Insgesamt 20 Mitarbeiter zählt das Corona-Krisenteam aktuell. "Bis zu 100 Anrufe sind es täglich, die jeder von uns macht", schätzen Maier und Podszuck-Ott.
Und es werden ständig mehr. Corona-Infizierte als auch enge Kontaktpersonen anrufen, sich nach ihrem gesundheitlichem Zustand erkundigen, neu hinzugekommene Kontaktpersonen informieren, über die Quarantäne aufklären - Zeit zum Durchschnaufen bleibt derzeit nicht. "Manche Leute sind sehr aufgebracht. Es ist eine besondere Situation im Leben und wir tun alles, um uns in sie hinzuversetzen", sagt Podszuck-Ott. Schließlich wolle man nicht gegen die Bürger arbeiten, sondern mit ihnen.
Jill Maier ist gelernte Krankenpflegerin. Sie bewarb sich für das CTT und ist seit August dabei. Jessy Podszuck-Ott bereits seit Mai. Sie half zunächst als Auszubildende im Finanzamt aus, ist inzwischen aber fest im Team. Sie und ihre Kollegen arbeiten ständig im wechselnden Schichtdienst bis spät abends. Auch am Wochenende und an Feiertagen wird durchgearbeitet.
"Die Lage ist angespannt. Es ist unfassbar, was hier gerade geleistet wird. Überstunden sind zur Zeit an der Tagesordnung", betont Markus Hümmer, Teamleiter des Forchheimer CTT. Er ist nicht nur deshalb sehr dankbar über den guten Zusammenhalt seiner Mitarbeiter.
577 Personen in Quarantäne
Die Zahl der Infizierten im Landkreis stieg zuletzt immer wieder sprunghaft an. "Gerade steht auf meinem Zettel 84 Positivgetestete und 577 Kontaktpersonen in Quarantäne. In einer Stunde sind diese Zahlen aber schon wieder veraltet und voraussichtlich weiter gestiegen", betont Hümmer beim Besuch im Gesundheitsamt am Mittwochmorgen.
Die Schulklassen, die sich derzeit im Landkreis Forchheim in Quarantäne befinden, sind bei diesen Zahlen noch gar nicht dabei und kommen oben drauf. Das sind eine aus der Martin-Grundschule in Forchheim, zwei aus dem Herder-Gymnasium, eine aus dem Fränkische-Schweiz-Gymnasium, eine aus der Mittelschule Gößweinstein, eine aus der Mittelschule Gräfenberg, mindestens eine an der Realschule Ebermannstadt und eine aus der Realschule Forchheim.
Ursprünglich sei man laut Hümmer davon ausgegangen, dass besonders die Reiserückkehrer die Zahlen haben steigen lassen. Das habe sich aber nicht bewahrheitet. "Im Landkreis sind es aktuell verstärkt Jugendliche, die infiziert sind, weniger Senioren", erklärt Hümmer, der die Infektionsherde vielmehr im privaten Umfeld sieht. "Das müssen nicht mal große Feiern sein. Deshalb ist mein dringender Appell: Weniger ist mehr. Reduzieren Sie die Kontakte auf's Nötigste."
Mitarbeiter gesucht
Aufgrund der wachsenden Zahlen soll das CTT nun auch Verstärkung bekommen. Das Landratsamt sucht aktuell dringend weitere Mitarbeiter, um das Gesundheitsamt bei der Ermittlung und Beratung von Kontaktpersonen zu unterstützen (siehe Infokasten). Auch aus dem öffentlichen Dienst, beispielsweise vom Finanzamt und von der Polizei, sollen 20 weitere Mitarbeiter für das CTT rekrutiert werden. Die Infektionsketten müssen schnellstmöglich erkannt werden. "Es werden immer mehr Fälle. Noch können alle Kontakte nachverfolgt werden. Aber das soll auch so bleiben", betont Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamts.
Und deshalb wird es auch heute wieder spät werden, bis die Lichter auf dem Flur ausgehen und Jill Maier und Jessy Podszuck-Ott alle Personen auf ihrer Liste angerufen haben.