Druckartikel: Sie kommen auf leisen Pfoten

Sie kommen auf leisen Pfoten


Autor: Rainer Lutz

LKR Coburg, Montag, 16. November 2020

Viele reden über den Wolf, doch auch der Luchs steht vor der Tür des Coburger Landes. Andere Arten wie die Wildkatze oder der Waschbär haben längst den Weg in die Region gefunden und sind hier heimisch.
Der Screenshot aus einem Video lässt keinen Zweifel daran, wer da über die Straße springt.


Das Video lässt keine Wünsche in Sachen Deutlichkeit übrig. Vor der Handykamera überquert ein stattlicher Luchs den Waldweg. Das Besondere ist der Ort des Geschehens. Die Begegnung fand nicht weit von Eisfeld in Thüringen statt - nur wenige Kilometer vom Coburger Land entfernt.

Hier ist die größte Katze heimischer Wälder noch nicht aufgetaucht. Frank Reißenweber, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz, weiß von einer Luchsfähe mit Jungen im Fichtelgebirge. Wohl von dort kommend sind vereinzelt schon Luchse im Frankenwald aufgetaucht. Von der anderen Seite, dem Thüringer Waldgebiet Hainich, könnten ebenfalls Luchse bis in den Thüringer Wald gelangen. Genau darauf zielt das Luchsprojekt des Naturschutz Bundes (Nabu) in Thüringen.

"Luchse in die Mitte bitte", heißt der Slogan, mit dem der Nabu Thüringen wieder zum Luchsland machen möchte. Vorträge, Exkursionen, Infostände sollen vor allem Jäger, Weidetierhalter und andere Landnutzer davon überzeugen, dass die Pinselohren mehr Bereicherung sind als Bedrohung.

Ganz leicht fällt das sicher nicht. Denn die bevorzugte Nahrung des Luchses sind Rehe. "Er kann auch ein Rothirschkalb reißen und liebt durchaus auch Füchse oder Biber", erklärt Frank Reißenweber. Die Nähe des Menschen scheut der Luchs sehr. Daher ist es für Frank Reißenweber eine absolute Seltenheit, dass das Tier so gefilmt werden konnte. Am ehesten setzen Naturschützer auf Fotofallen, die oft erstaunliche Aufnahmen liefern.

Im Coburger Land fanden sich auf den Festplatten der Geräte bereits gute Aufnahmen von Wildkatzen. "Die Wildkatze ist im Coburger Land schon wieder viel weiter verbreitet, als man denkt", kann Frank Reißenweber daher feststellen. Er betont, dass es sich dabei um eine heimische Wildart handelt, und nicht etwa um verwilderte oder streuende Hauskatzen, die anders als Wildkatzen nicht gern gesehen sind in Wald und Feld.

Ebenso ist der Waschbär nicht gerade willkommen in der Region - allerdings auch nicht mehr aufzuhalten, weil bereits gut etabliert. Das zeigen auch in seinem Fall Aufnahmen aus der Wildkamera, aber auch immer häufiger Begegnungen mit dem Einwanderer aus Amerika. In Deutschland ist der kleine Bär schon so zahlreich, dass Jäger in der Saison 2019/20 nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) mehr als 202 000 Waschbären erlegen konnten - ein Allzeitrekord und 22 Prozent mehr als im Jahr davor. Zahlen, die Gedanken zur Verwertung aufwerfen. Der DJV informiert daher über eine Studie, nach der das Fleisch des Waschbären als hochwertig eingestuft wird. Im Süden der USA werden nach DJV-Informationen Jahr für Jahr mehrere Zehntausend Waschbären verspeist. Demnächst also Bärenbraten zum Fest?

Seltener Gast

Wie der Waschbär steht auch der Marderhund in Deutschland auf der Liste der gebietsfremden invasiven Arten. Vereinzelt wurden in den vergangenen Jahren Marderhunde schon im Coburger Land gesichtet und sogar schon erlegt. Die große Invasion ist bisher ausgeblieben.

Geht es um Zuwanderer, bleibt aber der Wolf das Thema Nummer eins. Naturfreunde fiebern seiner Ankunft entgegen, Schäfer und Rindhalter, die ihre Tiere auf die Weide führen, machen sich dagegen große Sorgen um ihre Viehbestände. Bisher sind im Coburger Land aber wenige zuverlässige Hinweise auf Wolfsbesuche gefunden worden. Dass vereinzelt Wölfe durchziehen, schließt Frank Reißenweber nicht aus. "Bei Grafenwöhr sind zwei Familien bekannt, in der Rhön lebt ein standorttreues Einzeltier und im Veltensteiner Forst hat eine Wölfin nachweislich Junge zur Welt gebracht", weiß er. Die Wölfin auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf hat jetzt einen Partner gefunden. Sie hatte sich zwischenzeitlich mit einem Haushundrüden gepaart. Die Hybriden, die aus solchen Paarungen hervorgehen, machen Naturschützern Sorgen. "Es kann sein, dass ihnen die angeborene Scheu vor dem Menschen teilweise fehlt", sagt Frank Reißenweber. Außerdem gerät die Art Wolf durch die Kreuzungen in Gefahr, so verwässert zu werden, dass es eines Tages keinen echten Wolf mehr gibt.

Anzeichen dafür, dass Wölfe immer mal wieder in der Gegend unterwegs sind, gibt es seit Jahren. Dass sich ein Wolfsrudel im Coburger Land ansiedelt, hält Reißenweber für sehr unwahrscheinlich.