Schwelgerisch und mit Schmiss
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Kulmbach, Montag, 18. Juli 2016
Ljubka Biagioni zu Guttenberg gastierte mit den Sofia Symphonics zum Abschluss der Open Airs auf der Plassenburg. Ihre "Lieder an die Liebe" kamen beim Publikum bestens an.
stephan herbert fuchs
Da hat sich der Satiriker Kurt Tucholsky geirrt: Puccini, so schrieb er, sei "der Verdi des kleinen Mannes" und Franz Lehar "dem kleinen Mann sein Puccini". So viel Irrtum gab es selten. Noch dazu bei Tucholsky. Sowohl Giacomo Puccini, als auch Franz Lehar sind absolut herausragende Komponisten, Meilensteine der Musikgeschichte. Wer es nicht glauben mochte, der musste sich am Sonntagabend das Plassenburg-Open-Air mit dem Orchester der Sofias Symphonics unter Ljubka Biagioni zu Guttenberg anhören, schon war alles klar.
Zumindest die ersten Minuten standen allerdings unter keinem guten Stern. Auf die Sekunde genau um halb Neun öffnete der Himmel seine Schleusen, wer konnte, stellte sich an den Arkaden unter, Schirme sprangen auf, Regenumhänge wurden ausgepackt.
Doch der Spuk war zehn Minuten später vorbei und es blieb den ganzen Abend über trocken und mild.
Unter dem Motto "Canti d´ amore" - "Lieder an die Liebe" stand das Klassikkonzert auf der Burg diesmal, und die prominente Dirigentin aus dem Kulmbacher Land hatte neben italienischen Opernarien und -duetten von Giacomo Puccini, Gaetano Donizetti, Giuseppe Verdi, einem Querschnitt aus Franz Lehars berühmtester Operette "Die lustige Witwe" auch Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Strauss im Gepäck. Zum dritten Mal stand Ljubka Biagioni nach einem Jahr Pause wieder bei einem Open Air am Pult. Mit den Sopranistinnen Nely Kravchenko, Emilia Kircheva, Maria Pavlova und Angelina Marcheva, den beiden Tenören Michail Michailov und Alexander Baranov sowie dem Bariton Nikola Ivanov hatte sie auch namhafte bulgarische Solisten, alles herausragende Stimmen, mitgebracht.
Die Musik bot genügend Italianita und Theatralik.
Was Ljubka Biagioni und ihre fabelhaft einstudierten Symphoniker aus Sofia hier an Musik von Puccini, Donizetti und Verdi aufführten, zeugte von elegischem Schmelz und großem Bühnen-Pathos. Und genau dafür ist die Dirigentin zu haben. Sie setzt auch gerne mal einen Effekt, nur um des Effektes willen, was in einem sommerlichen Konzert unter freiem Himmel in lockerer Atmosphäre auch absolut erlaubt ist.
Schwelgerische Töne etwa gab es von dem fabelhaften Tenor Michail Michailov in Donizettis berühmter Arie "Una furtiva Lacrima" aus der Oper "Der Liebestrank". Klangfarbige Reize setzten Emilia Kircheva, Maria Pavlova und Alexander Baranov gleich zu Beginn im Terzett "Oje, Oje, wie rührt mich dies" aus der Fledermaus von Johann Strauss.
Blitzsauber, spannend und mitreißend musizierten die Symphoniker Puccinis Zwischenspiel aus der Oper "Manon Lescaut".
Deftig zupackend
Musikalisch von höchster Qualität ist auch der Ausflug in die Operette "Die lustige Witwe". Dazu hatte die Dirigentin einen aussagekräftigen Querschnitt zusammengestellt und fast wie bei einer halbszenischen Aufführung auf die Bühne gebracht. Mit Sorgfalt und Leidenschaft sind Ljubka Biagioni und ihre Sofia Symphonics bei der Sache. Schwungvoll und einschmeichelnd klingt das alles, auch wenn die Stimmen mikrofonverstärkt wurden und manchmal eine Spur zu aufdringlich rüberkamen. "Da geh ich ins Maxim", "Lippen schweigen", das "Vilja-Lied", das alles und viel mehr sind die Hits dieses Glanzstücks der Silbernen Operettenära. Die Dirigentin versteht die Operette als deftig zupackende, weniger als psychologisch hintersinnige Kunst.
Man hört, wie die Musiker die Komposition Lehars verinnerlicht haben, mit viel Schmiss, ansonsten aber auch schon mal straff und unsentimental.
"Sogar den Vögeln hat es gefallen", sagte Oberbürgermeister Henry Schramm am Ende, als er der Dirigentin einen Blumenstrauß überreichte und sich für den wundervollen Abend bedankte. Ljubka Biagioni schaffe es immer wieder, eine familiäre Atmosphäre herzustellen, in der sich alle Zuhörer wohlfühlen können. Mittlerweile habe sich schon eine kleine Fangemeinde gebildet. "Sie sind eine von uns, das schmeichelt uns Kulmbachern schon ein bisschen", sagte das Stadtoberhaupt zur Dirigentin. Sie und das Orchester bedankten sich am Ende mit dem wunderschönen Lied "Non Ti Scordar Di Me" des neapolitanischen Komponisten Ernesto de Curtis und mit dem Trinklied "Libiamo" aus "La Traviata", bei dem noch einmal alle sieben Solistenstimmen aufblitzen durften.
Neuer Besucherrekord
Am Rande des letzten Plassenburg-Open-Airs dieses Sommers zog Matthias Mayer von der Motions Kommunikations-GmbH ein positives Fazit über die sechs Abende. Zusammen rund 7000 Zuschauer seien ein Rekord, sagte Mayer. Vor allem für das Klassikkonzert habe man heuer eine deutliche Nachfragesteigerung feststellen können, was zeige, dass sich die Marke "Klassik auf der Burg" mittlerweile etabliert habe. Obwohl die Plassenburg-Open-Airs ein regionales Festival sind, habe man speziell zum Konzert der Ersten Allgemeinen Verunsicherung auch Zuschauer aus Frankfurt oder aus Freiburg begrüßen können. Auch im kommenden Jahr sind wieder sechs Konzerte geplant.