"Schwarzes Schaf" aus "rotem Stall"
Autor: Marco Meißner
Kronach, Samstag, 21. Mai 2016
Jonas Geissler stammt aus einer sozialdemokratisch geprägten Familie. Inzwischen ist er jedoch eine feste Größe in CSU und Junger Union.
Die Politik ist Jonas Geissler in die Wiege gelegt worden, die Parteizugehörigkeit in der CSU keineswegs. Heute ist der Sohn eines sozialdemokratisch geprägten Vaters Bezirksvorsitzender der Jungen Union und Fraktionsvorsitzender der CSU im Kronacher Stadtrat.
Herr Geissler, sie sind erst 31, aber schon seit fast 20 Jahren in der Politik präsent. Wie fanden Sie so früh den Zugang?
Jonas Geissler: Ich stamme aus einer politischen Familie. Bei uns war die Politik immer wichtig. Mein Papa ist SPD-Mitglied, meine Oma war bis vor zwei Jahren Stadträtin in Bayreuth. Eigenständig politisch interessiert habe ich mich circa seit ich 13 Jahre bin.
Heute bin ich quasi das "schwarze Schaf" in der Familie (grinst).
Was hat Sie dazu gebracht, sich der CSU und deren Jugendorganisation anzuschließen?
Ich fand es damals schlimm, dass Helmut Kohl 1998 abgewählt worden ist. Für mich war er immer der Bundeskanzler. Die Stimmung im Land war dann auch im ersten Jahr von Rot-Grün absolut gegen die neue Regierung. 1999 bin ich also in die CSU-Kreisgeschäftsstelle gelaufen und wollte mit 15 beitreten. Das durfte man aber erst mit 16. Mein Antrag auf Eintritt in die JU ist damals wohl untergegangen. Ein Jahr später habe ich dann meine Beitrittsanträge für CSU und JU erneut abgegeben, weil ich mich wirklich für Politik interessiert habe. Ein Problem war das in meiner Familie nie.
Als ich noch Schüler war, hat mein Papa am Anfang sogar den CSU-Beitrag für mich bezahlt.
Wie haben Sie Ihre Anfangszeit in der JU erlebt?
Ich habe meine ganzen Freunde geworben. Wir haben dann angefangen, zum Beispiel Plattenpartys auf die Beine zu stellen. Über diese Schiene haben wir ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl erreicht. Damals ist immer gemeckert worden, dass für junge Leute zu wenig gemacht wird; da war es schön, dass man so ein zusätzliches Angebot schaffen konnte. 2006 bin ich dann JU-Kreisvorsitzender geworden. 2008 haben wir den Stadtrats- und Kreistagswahlkampf organisiert. Fünf Stadträte und fünf Kreisräte kamen danach aus der JU.
Wie läuft das Zusammenspiel zwischen Jung und Alt in der Partei?
Auch heute haben Ältere viel Einfluss in der CSU - das ist ja nicht schlecht.
Junge Kräfte waren aber auch schon immer da. Es ist stets eine Frage der Person, die sich darum kümmert, wie die Jungen eingebunden werden. Was uns Junge aber alle eint: Wir sind keine Leute, die den Mund halten. Ich war auch schon immer jemand, der viel angeeckt ist, der seinen Mund aufgemacht hat. Ich glaube, dass damals wie heute - frei nach einer Aussage Jürgen Baumgärtners - Frechheit siegt. Und wir waren alle frech. Das haben die Älteren sicher nicht immer gern gesehen, aber man wurde wahrgenommen.
Was bringt der frühe Einstieg in die Politik für das eigene Leben?
Ich habe wahnsinnig viel gelernt: Wie gehe ich mit Menschen um, wie führe ich sie - das lernt man nirgends so wie in einer politischen Jugendorganisation. Hausbesuche waren für mich dabei das Schlimmste. Man geht bei den Leuten wie ein Hausierer klingeln. Aber es hat vom menschlichen Aspekt her viel gebracht.
Und auch wenn man es oft nicht glauben kann, in der Politik können sich auch tiefe, ehrliche Freundschaften ergeben. Das erwartet man so nicht. Ich denke allerdings auch darüber nach, was man alles verpasst. Es geht sehr viel Zeit vom Privatleben drauf. Ich arbeite in München, und ich wüsste nicht, ob ich jedes Wochenende heimfahren würde, wenn ich nicht politisch aktiv wäre. Doch dann gibt es immer wieder auch positive Erlebnisse. Ich habe eben erst eine Mail bekommen, in der ich daran erinnert wurde, wie wir vor zwölf Jahren übers Studieren in Kronach gesprochen haben, das nun Wirklichkeit wird. Das ist der Grund, warum man es dann doch macht - weil man sieht, dass sich etwas tut.
Wie lässt es sich heute als Fraktionsvorsitzender arbeiten?
Wir haben einen unglaublich tollen Zusammenhalt in der Fraktion.
Für den Rückhalt, den ich gerade von den älteren Fraktionsmitgliedern jeden Tag erfahre, bin ich wahnsinnig dankbar. Das hätte ich so nicht erwartet. Auf dieser Basis macht es Spaß, wenn wir gemeinsam Ide en spielen und sie dann auch umsetzen. Ich spüre aber auch, dass sich im Zuge der Loewe-Krise generell etwas geändert hat. Wir haben in Kronach zwar immer noch kein Geld, aber wir haben gelernt, in dieser Situation trotzdem etwas zu machen. Es war ein unglaublicher Stimmungsumschwung in den vergangenen zehn Jahren.
Ist das auch beim Interesse an der Parteimitgliedschaft zu spüren?
Zu dem Zeitpunkt, als ich eingetreten bin, wurde die Politikverdrossenheit so nicht wahrgenommen. Fast mein halber Abiturjahrgang war irgendwann in der JU. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Es ist schwieriger geworden, die Menschen für die Politik zu interessieren.
Dabei gibt es seit der Flüchtlingskrise eigentlich nichts mehr, wo es nicht um Politik geht - egal ob im Taxi, am Stammtisch beim Friseur oder beim Familientreffen. Und jeder will seine Meinung sagen. Gerade das ist eine Zeit, in der Parteien auch Partei ergreifen müssen. Bei der Wahl in Sachsen-Anhalt beispielsweise: Da treffen im Prinzip die "Mauerschützen" von einst mit den "Grenzschützen" von heute zusammen und erreichen fast 40 Prozent. Da müssen sich die demokratischen Kräfte zu Wort melden.
Das Gespräch führte Marco Meißner