Schönheit im Schrecken
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Freitag, 06. Mai 2016
Der Bamberger Kunstverein zeigt Arbeiten der Vereinigung "Lo Spirito del Lago" im Kesselhaus unter dem Titel "Rabenschwarz". Es sind verstörende Objekte dabei.
Rudolf Görtler
Was liegt da in dem ramponierten Drahtkorb? Eine Puppe mit weit gespreizten Beinen, der Torso mit Fell überzogen. Doch was ist das? Das kopflose Ding atmet ja! Lebt es? Man erschrickt und weicht zurück.
Ja, da bewegt sich tatsächlich etwas im Kesselhaus am Leinritt. Buchstäblich und im übertragenen Sinn. Es bewegen sich Atemobjekte Günter Weselers, der zurzeit, nach einer kurzen Phase des Ruhms in den 1960ern, wiederentdeckt wird. Der 86-Jährige ist einer von zwölf Künstlern, deren ausgewählte Arbeiten der Kunstverein in Gestalt von Vorsitzender Barbara Kahle nach Bamberg geholt hat. Auch aufgrund bester verwandtschaftlicher Bindungen zum Projekt "Lo spirito del Lago". Der Lago ist der Lago Maggiore an der schweizerisch-italienischen Grenze, der spirito, der Geist, erscheint auf der Isola Bella, der schönen Insel im See. Dort trafen sich vor rund 20 Jahren Peter Gilles, Birgit Kahle und Giampiero Zanzi, ließen sich vom Geist eines nicht mehr betriebenen Hotels und schöner alter Häuser daneben inspirieren und veranstalten seither jeden Sommer Ausstellungen mit Werken italienischer und deutscher Künstler.
Eine Auswahl davon ist jetzt im Kunstraum Kesselhaus zu sehen, eine englische und belgische Künstlerin sind auch dabei. Eine kleine, aber feine Auswahl, die sich ins rohe Ambiente gut einfügt. Roh auch viele der Exponate, die im Wesentlichen um die Themen Körperlichkeit, Schönheit, Begehren, Deformation, Verletzlichkeit kreisen.
Davor hat Peter Gilles keine Angst. Der Kölner Aktionskünstler experimentiert mit elementaren Gefühlen, wälzt sich, mit eigenem Blut beschmiert, auf der Leinwand und überarbeitet diese Drucke später. Ein riesiges Foto im Untergeschoss, von oben zu betrachten, macht die klaustrophobische Beklemmung des Künstlers sichtbar. Zunächst jedoch, beim Eintritt, fallen Roboter ins Blick, die wie Spielzeugmodelle anmuten. Ale Guzettis Gestalten leuchten verschiedenfarbig, während ein gregorianischer Chor ein "Dies Irae" singt. Ein Roboter reagiert auf den Betrachter ...
Körper also. Das kann ein aus Wachs geformter, aufgerissener Torso sein von Rebecca Stevenson. Die Drastik wird gemildert durch blütenartige Auswölbungen an der Schnittstelle. "Hirnschnitte" Max Bottinos hängen auch an der Wand, Zeichnungen, die anmuten wie Bilder eines Computertomographen. Darunter ein Drunter und Drüber von Puppen - an Missbrauch ließe sich denken und Gewalt.
Doch auch Neoklassik ist zu sehen wie in einem Akt von Federico Simonelli. "Se tu sapesse ...", wenn du wüsstest. Geschichtete Gemälde, eine Installation mit Marmor in einem Krankenhausbett, Gehirnfutter genug. Und warum "Rabenschwarz"? Der Rabe Marco war sozusagen Gründungspate der Künstlervereinigung.
"Rabenschwarz" ist zu sehen bis 12. Juni im Kunstraum Kesselhaus, Untere Sandstr. 42. Fr. 15-18, Sa./So. 11-18 Uhr.