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Schleichender Jaguar vertreibt Reh


Autor: Markus Häggberg

, Sonntag, 01. Oktober 2017

Der FT begleitete Christian Zahner bei der Maisernte bei Erlhof. Mit schwerem Gerät leistet er Präzisionsarbeit.
Christian Zahner an seinem Arbeitsplatz im Fahrerhaus des Maishäckslers.  Fotos: Markus Häggberg


Samstagmorgen, ein Jaguar schleicht über die Felder. Er bewegt sich langsam, aber nur wenig geschmeidig. Er gibt sich auch keine Mühe, sich dezent zu verhalten. Was sich ihm hier entgegenstellt, zieht er an sich heran und macht es kurz und klein. Zwei Rehe brechen aus dem Feld und bringen sich vor ihm in Sicherheit. Der Fränkische Tag begleitet ein alljährliches Ereignis: Maisernte mit großen Maschinen, viel PS und exotischer Typenbezeichnung.
9 Uhr morgens, in der Einfahrt des Hofs von Familie Schulz findet so etwas wie eine Mannschaftsbesprechung statt. 50 Meter links und rechts der Traube, die von den wenigen Personen gebildet wird, sind Warndreiecke aufgebaut. Obwohl die Straße wahrlich nicht dicht befahren und der Hof eher abseits liegt, wird diese Vorschrift beachtet.


Enormer Verschleiß

Denn was nun auf die Straße rollt und sich auf den nur wenige hundert Meter langen Weg zu den Maisfeldern macht, ist in Überbreite unterwegs. Der Claas Jaguar 940 wiegt 17 Tonnen. Fährt er eine Fläche von einem Hektar ab, verbraucht er 40 Liter Diesel.
Heute ist sein Tag bei der Landwirtsfamilie Schulz, denn eigentlich gehört er Franz Böhmer, Ebensfelder und einstiger Kreisobmann des Bauernverbands. 50 Kilometer um Ebensfeld herum, so der 63-Jährige eine Vorschrift zitierend, dürfe er seinen überbreiten Maishäcksler zur Verfügung stellen. Die wenigen hundert Meter zu dem Feld werden ihm nicht zusetzen und seinen Wert nicht weiter mindern. Es sind die Betriebsstunden, die bei solchen Geräten zum Verschleiß führen. "5000 Stunden lang kann man ihn fahren, dann sollte man ihn erneuern", klärt Böhmer auf.
Der Mann, der ihn heute fährt, ist Christian Zahner. Der Angestellte im öffentlichen Dienst ist auch Feuerwehrmann. Vor allem aber ist er vertraut mit dem schweren Gerät, das heute im Dienst von Ilse Schulz vom Schulz-Hof steht, und vertraut mit dem, was auf dem Feld auf ihn zukommen kann. "Man sitzt hier oben wie ein Kapitän", erklärt er in knapp drei Meter Höhe. Fünf bis sieben Hektar Mais wird er häckselnd einfahren, immer so, dass er mit dem wenige Meter neben ihm fahrenden Traktor samt nach oben hin offenem Anhänger im Schritttempo von maximal fünf Stundenkilometern gleichauf bleibt.


50 bis 70 Tonnen Ertrag je Hektar

Unterm Fahren wird er beobachten, wie der Maisvorsatz unter ihm die meterhohen Stauden kappt und mittels Zugsystem einer Art Schlund zuführt. Irgendwo unterhalb von Zahners Sitz wird der Mais dann gehäckselt und über ein schwenkbares Rohr in hohem Bogen in den Anhänger geblasen. 50 bis 70 Tonnen Ertrag seien in diesem Jahr pro Hektar drin. "Der viele Regen war für den Mais gut", sagt Ilse Schulz. Doch bis ein Hänger gefüllt ist und von einem zweiten Traktor mit Hänger abgelöst wird, hat Zahner aufmerksam zu bleiben.
Er muss auf Bodenwellen achten, auf mögliche Steine oder was dem beängstigend wirkenden, kurz über dem Boden arbeitenden siebeneinhalb Meter breiten Schneid- und Mahlwerk, noch zusetzen könnte. Manchmal, das kommt vor, lässt er ein paar Maisstauden am Rand der von ihm zu befahrenden Schneise stehen. Es fuchst ihn. "Das ist eine Schande für jeden Häckslerfahrer", witzelt er. Zurücksetzen und neu anfahren wird er nicht immer. Der Spritverbrauch würde das nicht rechtfertigen. Zwei Rehe werden bei einer der von Zahner gezogenen Bahnen aus dem Maisfeld ausbrechen und Reißaus nehmen.
Dass sie oder Wildschweine mal ins Mahlwerk geraten, komme nicht vor. Sie seien schlichtweg zu schnell für den Koloss.
Es ist ein anstrengender Job, der Aufmerksamkeit erfordert. "Länger als zehn Stunden am Tag möchte ich das nicht machen", gibt Zahner zu. Auf dem Hof von Ilse Schulz bewegt sich auch etwas, denn zwei Traktoren mit auffällig sauberen Reifen fahren in den Silos auf und ab. Sie drücken den hier immer wieder von Traktoren neu hereingefahrenen gehäckselten Mais in den Boden, verdichten ihn. Es wird Futtermais sein, kein Mais für Biogasanlagen und Energiegewinnung. Gerade dabei erzeugt Mais beste Brennwerte, nur noch von Zuckerrüben und Chinaschilf übertroffen.
Der Umstand, dass auch die Maiskörner selbst vom Häckselwerk aufgespalten wurden, erfreut. "Für die Verdauung der Bullen ist das hilfreich", heißt es. Und zum Blattreichtum bemerkt Böhmer: "Je mehr Blätter am Mais sind, umso mehr kann er Nährstoffe einlagern."
Es wird ein langer Tag werden, bis aller Mais eingebracht und vom Gewicht der rollenden Traktoren im Silo verdichtet worden ist. Aber auch dann gibt es für die Bauern noch viel zu tun, denn es steht die Reinigung der Straße von all dem Erdreich und Matsch an, der alljährlich bei der Maisernte aus den Rädern der Traktoren oder Jaguars fällt. Das ist polizeiliche Vorschrift, könnte es bei Regen doch es zu einem gefährlichen Schmierfilm auf der Fahrbahn kommen. Ganz zu schweigen von dem Bild, das eine Straße dann abgibt. Schließlich "hat man Rücksichtnahme auf das Dorf zu nehmen", bekräftigt Ilse Schulz.