Schimpfwörter würzen Dialekt
Autor: Markus Häggberg
Bad Staffelstein, Freitag, 25. November 2016
Der ehemalige Staffelsteiner Pfarrer Gerhard Hellgeth, der aus dem Frankenwald stammt, las Mundart-Prosa bei der Kulturinitiative. Er trug dabei auch Stücke vor, die in seinem zweiten Büchlein "Nuch a Hämpfela Lejm" gesammelt sind.
Ein Pfarrer macht sich Sorgen darum, dass Schimpfwörter womöglich verloren gehen könnten. Weil es doch "schöne Schimpfwörter" sind. Gut katholisch ist der, der sich sorgt dennoch: Pfarrer i. R. Gerhard Hellgeth erfreute sein Publikum mit einer Lesung aus seinem neuen Mundartbüchlein in der Alten Darre. Schimpfwörter gab es dabei jede Menge. Pointen auch.
80 Jahre alt ist er unlängst geworden, der einstige Staffelsteiner Stadtpfarrer. Nun erfuhr eine breitere Öffentlichkeit etwas von einer Leidenschaft, die er seit etwa 20 Jahren pflegt. Gerhard Hellgeth sammelt Beobachtungen aus der Heimat, verdrehte, verrückte Begebenheiten und Gesprächsfetzen. Oder er ersinnt sie, verdichtet sie zu einem Gleichnis, zu allem Möglichen. Auf über 700 pointiert und spitz zulaufenden kleineren und größeren Dichtungen in Prosa hat er es inzwischen gebracht.
Eine Kerze, ein Glas Wasser, ein Mikrofon, eine Klemmleuchte sowie Tisch und Stuhl. So saß Hellgeth in der alten Darre auf Einladung der Kulturinitiative (KIS) dunkel gewandet vor dunklem Stoff. Wie ein heiterer Leonard Cohen ohne Gesang und Gitarre und doch eher mit Humor als in Melancholie flanierend. Und vor allem in der Mundart. Es sind zu einem großen Teil die einfachen Menschen, denen er in seinen Geschichten kleine Denkmale setzte; fromme Menschen, dörfliche Menschen, Menschen aus seiner Kindheit und Jugend im Kronacher Raum. Und was er bezeugen will, ist die "Lebenstüchtigkeit und Lebenskunst dieser Menschen".
Pfarrer, Bauer und die Fliegen
Da wäre zum Beispiel die Kunst des Sterbens unter widrigen Umständen. Ein alter Bauer, dessen Sterbelager in der Nähe eines Kuhstall stand, was ihm, dem Entkräfteten, den Besuch von Fliegen und Mücken garantierte. Ein Pfarrer sitzt bei ihm, mit den Händen fuchtelnd und das Geschmeiß verscheuchend. "Herr Pfarrer, ärgern Sie sich nicht - ich erwisch' auch keine mehr", sagt der Sterbende und beweist Größe durch Humor. Wäre er Napoleon, wüsste die ganze Welt von dieser Anekdote.In warmen Worten trug der 80-Jährige zwei Stunden lang vor, im breiten Steinwiesener Frankenwald-Dialekt - immer auch mit einem sympathischen Zug vorsichtigen Entschuldigens. Ob man noch eine Geschichte hören wolle, ob es nicht schon zu viele seien, nicht schon zu spät oder dies oder jenes. Aber es wirkte nicht wie ein Heischen nach Anerkennung oder um Zugaben. Doch das Talent zum Erzählen und Verdichten darf man Gerhard Hellgeth wohl bezeugen - ebenso wie die Gabe, die gesammelten Steinwiesener Schimpfwörter zu übersetzen und sie all den Nichtfrankenwäldern zugänglich zu machen.
Zu schade für die Schublade
1996, als er mal im Krankenhaus gelegen habe, sei ihm in den Sinn gekommen, Geschichten aufzuschreiben und zu bewahren. Angeregt worden sei er durch einen anderen Katholiken - den Heimatdichter Josef Motschmann. "Das könnte ich auch mal versuchen", sagte sich Gerhard Hellgeth. Aber erst eine Ärztin habe ihn "drauf gebracht", etwas zu veröffentlichen. "Es wäre schade, wenn Sie es im Schuber stecken lassen", habe die Frau gesagt. Im Schuber, da liegen noch sechs kleine Theaterstücke. Das 2012 erschienene Büchlein sammelte Geschichten mit dem Titel "A Hempfäla Lejm" (Eine Handvoll Leben) und das eben druckfrisch erschienene zweite Bädchen "Nuch a Hämpfela Lejm".Einfach so gehen und sich verabschieden konnte Gerhard Hellgeth nach der Lesung aber nicht. Es musste erst den Wünschen nach dem Signieren seiner Bücher nachkommen.