Sauer wegen "Bauernmilliarde"
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Freitag, 31. Januar 2020
Geld, wie die von der Regierung angekündigte Milliarde Euro, löst das Problem der Bauern mit der Agrarpolitik nicht, sagen die Praktiker vor Ort und erklären, warum das so ist.
Die Regierung in Berlin beschließt als Reaktion auf die Proteste der Landwirte eine "Bauernmilliarde". Abgekühlt haben sich die Gemüter deswegen nicht. Im Gegenteil, die Folge waren am Donnerstag spontane Flashmobs und ein erneuter Aufschrei der Betroffenen. "Es geht uns nicht um Geld, sondern um eine fachliche Lösung der Probleme", betont Coburgs Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, Martin Flohrschütz.
Wo die Landwirte das fachliche Problem sehen, versucht Flohrschütz zusammen mit Holger Heilingloh auf dessen Hof in Großwalbur verständlich zu machen. Es geht um die viel zitierten "roten Gebiete" und um das, was die Bauern daran stört. Wenn Hans Rebelein, der Geschäftsführer des BBV in Coburg, das Problem erklärt, wird es kompliziert. Erst recht, wenn Wolfgang Schultheiß das tut, der für seine Berufskollegen die Nitratuntersuchungen in der Region durchführt und betreut. In Berlin, so erscheint es den Bauern, glaubt offenbar jeder genau zu wissen, was es mit dem Nitrat, dem Stickstoff, im Boden auf sich hat. Was dann aber von der Großen Koalition beschlossen wird, lässt die Praktiker auf ihren Höfen an der Sachkenntnis zweifeln - und an den Entscheidungen verzweifeln.
Eines der Kernthemen: Die "roten Gebiete". Gemeint sind Regionen, in denen besonders strenge Regelungen zur Ausbringung von Stickstoff greifen sollen. "Die Gebiete beziehen sich immer auf einen Grundwasserkörper", erklärt Hans Rebelein. Für diesen gibt es Messstellen des Wasserwirtschaftsamtes. Liegt der gemessene Wert an einer der Stellen über 50 Milligramm Nitrat je Liter, dann wird das Gebiet rot.
Eine für alle
Für das Coburger Land liegt eine der Messstellen auf Gebiet der Stadt Neustadt. Hier wird der Wert überschritten. Es gibt drei weitere Messstellen für den Landkreis. Dort sind die Werte in Ordnung. Trotzdem wird das gesamte Gebiet rot. Die strengen Regelungen treffen also auch Holger Heilingloh in Großwalbur - in einer ganz anderen Ecke des Landkreises.
"Außerdem gibt es Messstellen, bei denen die Landwirtschaft nicht der alleinige Verursacher ist", sagt Hans Rebelein. Er denkt dabei an Rattelsdorf. Dort wird gerade ein Gebiet von Munition aus dem Zweiten Weltkrieg befreit. In die Aushubstellen werde Kompost verfüllt - was den Nitratwert in einer nahe gelegenen Messstelle nach oben treibt. Trotzdem bekommen die Bauern entsprechende Auflagen. Für Hans Rebelein steht fest: "Wir brauchen mehr Messstellen. Die vorhandenen Messstellen müssen überprüft werden, und die Grundlage für ein rotes Gebiet darf nicht nur eine Messstelle sein."
Zahl der Tiere nur ein Faktor
Ein Zusammenhang zwischen Tierhaltung und Nitratbelastung liegt nahe - schließlich wird die Gülle als Hauptursache ausgemacht. Demnach sollte also die Nitratbelastung in Südbayern hoch sein. Im Berchtesgadener Land werden 1,54 Großvieheinheiten je Hektar gehalten. Im Landkreis Rosenheim sind es sogar 1,73, im Unterallgäu 1,63. Im Coburger Land liegt der Wert bei 0,74 Großvieheinheiten je Hektar in allen Nachbarlandkreisen noch darunter. Trotzdem zeigt die Karte für Südbayern praktisch nur grüne Gebiete. "Die haben dort ein Vielfaches unserer Niederschläge. Dadurch wird der Nitratgehalt einfach verdünnt", erklärt Hans Rebelein.
Region doppeltt belastet
Das Coburger Land werde also erst durch Dürre strapaziert, die die Erträge mindert, und dann durch die verschärfte Düngeverordnung getroffen, die zu weiteren Ertragseinbußen führt. Rechnet man alles zusammen, reden Bauern bei einem Betrieb mit 100 Hektar über Ertragsminderung von 30 000 Euro.