Druckartikel: "Reflex" bringt satte Strafe ein

"Reflex" bringt satte Strafe ein


Autor: Carmen Schwind

Bamberg, Donnerstag, 19. Oktober 2017

Sechs Monate auf Bewährung und 100 Sozialstunden bekam ein Forchheimer, weil er einen Bekannten verprügelt hatte.


Strafrichterin Silke Schneider war sauer: "Das ist doch ein Schmarrn, was sie mir da erzählen!" Einem 42-jährigen Forchheimer war zur Last gelegt worden, dass er in seiner Wohnung in Forchheim während der Geburtstagsfeier seiner Verlobten im April dieses Jahres einen Anwesenden verprügelt hatte. Dieser hatte danach stark geblutet, eine Abschürfung am linken Auge davongetragen und seine Zahnbrücke verloren. Der Angeklagte erzählte, dass alle betrunken gewesen waren und er und seine Verlobte vom Geschädigten übel beschimpft worden seien. Die Frau habe sich im Schlafzimmer ein anderes Shirt angezogen. Als sie zurückgekommen war, habe sie den Geschädigten gestreift und der habe sie grundlos in den Bauch geboxt. "Aus Reflex habe ich dann geschlagen", trug der Beschuldigte vor.
"Das ist jetzt aber eine ganz andere Geschichte", antwortete Richterin Schneider und schlug in ihren Unterlagen nach, denn bei der Vernehmung hatte der Beschuldigte nichts von Schlägen gegen seine Verlobte angegeben. "Wie kann es sein, dass keiner was gesehen hat", fragte die Richterin nach und der Angeklagte gab an, dass er das wohl in der Hektik vergessen habe.
Silke Schneider zeigte sich überrascht, dass er das Wichtigste vergessen haben wollte, und ließ sich zeigen, wie der Geschädigte geboxt haben soll. Dieser war als Zeuge geladen und wurde von zwei Beamten in den Sitzungssaal geführt. Der Geschädigte trug Fußfesseln, weil er aktuell eine Strafe in der Justizvollzugsanstalt verbüßt. "Ich weiß eigentlich gar nichts mehr", gab der 56-jährige Zeuge an. "Da haben Sie aber ordentlich eine aufs Maul gekriegt", meinte die Richterin, als sie die Polizeibilder betrachtete.
Anschließend wurde die 39-jährige Verlobte des Angeklagten aufgerufen, die die Geschichte in den gleichen Worten wie der Angeklagte erzählte. Das machte die Richterin misstrauisch, denn auch die Zeugin hatte bei der Vernehmung nichts dergleichen angegeben. Richterin Silke Schneider warnte die Zeugin, dass sie ihre Aussage der Staatsanwaltschaft übergeben würde: "Dann haben sie eine Falschaussage am Hals."
Die Zeugin beteuerte, dass sie die Wahrheit sage, stellte das Boxen in den Bauch allerdings anders dar als der Angeklagte. Nach der Vernehmung zeigte die Richterin dem Angeklagten noch einmal das Bild des Geschädigten, das nach der Tat aufgenommen worden war, und meinte: "Sie können froh sein, dass Sie ihn nicht umgebracht haben. Der Geschädigte war blutüberströmt."
Staatsanwalt Stefan Meyer forderte deshalb eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung und 100 Stunden soziale Arbeit. "Der Angeklagte hat vollkommen überreagiert", meinte der Staatsanwalt. Richterin Silke Schneider verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten auf Bewährung und 100 Stunden Sozialdienst, denn sie erkannte im Verhalten des Beschuldigten keine Notwehr oder Nothilfe, sondern eine Überreaktion unter Alkoholeinfluss.