Provokationen im Gehege
Autor: Nikolas Pelke
Nürnberg, Mittwoch, 31. Juli 2019
"Rroooaaarr!": Nürnberger Kunststudenten machen den Nürnberger Tiergarten zum Museum. Einige Objekte verstören die Besucher.
Affe, Löwe und Zebra: Im Nürnberger Tiergarten wimmelt es von aufregenden Tieren. Jetzt ist der Landschaftszoo um eine Attraktion reicher geworden. Studenten der benachbarten Kunstakademie haben das weitläufige Gelände am Schmausenbuck in ein tierisches XXL-Museum verwandelt.
Unter der Überschrift "Rroooaaarr!" werden beispielsweise Pinguine mit Sound beschallt. Bei den Erdmännchen laufen aphoristische Nachrichten in Endlosschleife über ein LED-Display. Im "Blauen Salon" lässt Anna Poetter eine Meerjungfrau durch die Unterwasserwelt gleiten. Auf der Merianwiese schraubt sich ein "weißer Rabe" in den Himmel. Christian Manuel Schreiber hat die viereinhalb Meter hohe Konstruktion aus Holz und Stahl unter dem Titel "White Raven" entworfen.
Tiere mögen Kunst
Im Gehege der Dybowski-Hirsche wachsen riesige Ohren aus den Baumstämmen. "I can hear you" hat Michael Sailstorfer sein Kunstwerk genannt. Die Hirsche mögen die Ohren offensichtlich zum Fressen gerne. Immer wieder hüpfen die Stirnwaffenträger vorbei und schlecken die Kunstohren mit ihren langen Zungen ab.
Kein Wunder: Michael Sailstorfer hat seine Hörmuscheln aus Salzstein geformt. Und Salzsteine finden Hirsche nun einmal unwiderstehlich. Unwiderstehlich gut ist auch die Ausstellung im Nürnberger Tiergarten. Michael Sailstorfer hat die Idee zu dieser tierischen Ausstellung gehabt. Gemeinsam mit seinen Studenten der benachbarten Kunstakademie wollte der 1979 in Velden geborene Kunstprofessor den Tiergarten in ein großes Ausstellungsgelände verwandeln. Die gezeigten Arbeiten verstehen sich als "Interventionen", schreibt Lukas Feireiss über die Schau in dem kleinen aber feinen Ausstellungskatalog, der im Verlag für moderne Kunst pünktlich zur Ausstellungseröffnung erschienen ist.
Tiergärten seien laut Feireiss seltsame Orte, welche der Haltung und öffentlichen Zurschaustellung von meist exotischen Tierarten dienen.
Subversiv und poetisch
Der motivische Kontrast zwischen künstlichem Zaungehege und natürlicher Zoolandschaft lasse die "Diskrepanz einer grundlegenden Andersartigkeit" spürbar werden.
In diesem Sinne sei die "Rroooaaarr!"-Ausstellung im Nürnberger Tiergarten eine "Er-Örterung" im radikalen Sinne des Wortes. Die Kunst trete mit dem Zoo in Dialog. Die ausgestellten Objekte spielen mit den Erwartungen der Besucher. Auf genauso subversive wie poetische Weise würden "Gefühle der Fremdheit und Entfremdung" beim Betrachter laut Lukas Feireiss hervorgerufen.