Druckartikel: Praktika dringend empfohlen

Praktika dringend empfohlen


Autor: Franka Struve

Forchheim, Dienstag, 26. März 2019

Auf der zweiten Bildungskonferenz des Landratsamtes Forchheim wurde das Hineinschnuppern in Berufe als sehr wichtig bezeichnet. Viele Jugendliche schieben die Entscheidung vor sich her, manche sind beratungsresistent.
Stefan Böhme  Foto: Franka Struve


Angst, Entscheidungen zu treffen, und fehlende Selbsteinschätzung sahen die Teilnehmer der zweiten Bildungskonferenz bei vielen Jugendlichen, die vor der Berufswahl stehen. Rund 100 Interessierte aus Schulen, Betrieben, Institutionen, Verbänden und Bildungsträgern folgten der Einladung des Forchheimer Landrats Hermann Ulm (CSU) in die Realschule Forchheim in der Pestalozzistraße zum Meinungsaustausch, der unter dem Leitthema "Heute lernen für die Arbeitswelt von Morgen" stand.

Petra Meyer, die Rektorin der Mittelschule Gräfenberg, brachte zwei Schüler zur Diskussionsrunde mit, die sich mit den Qualifikationen auseinandersetzten, welche von Unternehmen gefragt sind.

Aus dem Schülerleben

Sandra Knaut und Jonas Fleischmann, beide in der zehnten Klasse, berichteten aus dem Schülerleben. Sandra hatte keine Probleme, einen Ausbildungsplatz zu finden. Sie möchte Ergotherapeutin in Nürnberg werden. Jonas haben die vielen Praktika während der Schulzeit geholfen, unter anderem in einer Kfz-Werkstatt und beim Architekten. Er will Maurer werden. Überhaupt die Praktika - sie wurden von allen Teilnehmern als Entscheidungshilfe empfohlen.

Susanne Freund von der Agentur für Arbeit in Bamberg fand, dass viele Jugendliche die Entscheidung vor sich herschöben. Manche seien beratungsresistent, manche überschätzten ihre Fähigkeiten oder schielten nur auf die Höhe der Entlohnung. Ein Praktikum helfe einzuschätzen "Das kann ich und das kann ich nicht", so die Beraterin. Praktisches Geschick testet auch die Firma Waasner während des Einstellungsverfahrens. Bewerber für die Ausbildung des Werkzeugmechanikers stellen bei einer komplizierten Drahtbiegeübung ihre Fertigkeit unter Beweis.

Der Vizepräsident und Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken, Michael Waasner, beschreibt, dass viele Bewerber das erworbene Wissen nicht anwenden könnten; so sollten diese in der Lage sein, eine Rechenaufgabe unter Anwendung des Ohmschen Gesetzes zu lösen.

Tamara Stüllein, Personalentwicklerin bei der Forchheimer Firma Infiana, wünscht sich Kandidaten mit Mathe- und Technikkenntnissen, die handwerklich geschickt sind und den Blick für das große Ganze haben.

Der Bausachverständige Christian Jaklin unterrichtet als Lehrbeauftragter vorbeugenden Brandschutz an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg und bemängelt, dass es an Gymnasien nicht vorgesehen sei, Praktika zu absolvieren. Einige seiner Studenten beherrschten Dreisatz-Aufgaben nicht. Der stellvertretende Kreishandwerksmeister beschreibt auch, wie einfach ein Praktikum im Handwerksbetrieb sei. Oft sei mit der Frage "Kommst wieder? - Passt!" alles geklärt.

Blick in die Zukunft

Stefan Böhme vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit wagte in seinem Vortrag "Die Arbeitswelt von Morgen und Herausforderungen für die Region Forchheim" einen Blick in die Zukunft. Die Digitalisierung sei in absehbarer Zukunft die treibende Kraft des technischen Fortschritts, die Folgen für den Arbeitsmarkt schwer abzuschätzen. Bei einer Untersuchung der Substituierbarkeit von Tätigkeiten, die heute von Menschen ausgeübt werden und die von computergesteuerten Maschinen übernommen werden könnten, zeigten insbesondere die Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufe ein hohes Potenzial, größer als 68 Prozent.

Die mögliche Ersetzbarkeit von vorwiegend manuellen und kognitiven Tätigkeiten beträfe 27,9 Prozent der im Landkreis Forchheim Beschäftigten, die in risikoreichen Segmenten tätig sind. Helfer und Fachkräfte seien eher betroffen als Spezialisten und Experten.

Böhme sieht eine Zunahme von kreativen, planerischen, steuernden und interaktiven Tätigkeiten, die weniger formale Qualifikationen erforderten, sondern mehr Kompetenzen. Abschließend beruhigte der Arbeitsmarktexperte: Der bayerische Durchschnitt der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Arbeitslosen sei sehr gut. "Toll, dass der Landkreis Forchheim es schafft, diesen Durchschnitt zu spiegeln oder sogar besser zu sein. Das ist ein Erfolg."