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Passionsklänge beeindrucken


Autor: Christine Luche

Neustadt bei Coburg, Dienstag, 03. April 2018

Wie ein fränkisch-thüringisches Chorprojekt die Aufführung der Markuspassion von Reinhard Kaiser in St. Georg ermöglichte. Selbst Johann Sebastian Bach schätzte das Werk so sehr, dass er es dreimal in Weimar und Leipzig dirigierte.


Zu seinen Lebzeiten zählte Reinhard Keiser zu den bekannten und bedeutenden Komponisten des damaligen Musiklebens und man bezeichnete ihn als das "vielleicht größte Originalgenie, das Deutschland jemals hervorgebracht hat."
Mit nahezu einhundert Bühnenwerken war er eine der schöpferischen Zentralgestalten der frühdeutschen Oper in Hamburg. Als Kirchenkomponist führte er aufgrund der Vergleiche mit seinen heute berühmten Zeitgenossen Bach, Telemann und Händel ein Schattendasein, obwohl Keiser einen nicht geringen Einfluss auf Bach ausübte, der dessen Markuspassion dreimal in Weimar und Leipzig aufführte.
Dank eines Chorprojekts des Oratorienchors Sonneberg (Leitung Martin Hütterott) und der Kantorei St. Georg Neustadt erlebte die Markuspassion von Reinhard Keiser unter der Gesamtleitung von Markus Heunisch am Karfreitag in der Stadtkirche in Neustadt eine beeindruckende Wiedergeburt.
Als Solisten hatte man Heike Richter (Sopran), Alexandra Jakob (Alt), Stefan Schneider (Tenor), Matthias Erler (Tenor) und Martin Trepl (Bass) verpflichtet.
Das instrumentale Fundament lieferte das Kammerorchester Sonneberg, an der Truhenorgel agierte Martin Hütterott. Geschlossener, samtener Chorklang erfüllte den Kirchenraum mit dem Eingangschor "Jesus Christus ist um unserer Missetat willen verwundet".
Verkörperte Stefan Schneider mit seiner in allen Lagen makellosen, sehr geschmeidigen Stimme den idealen Evangelisten, so stellte Martin Trepl mit seinem vollmundigen, ebenmäßigen Bass die Gestalt des Jesus in all seiner Güte und Verletzlichkeit auf berührende Weise in den Raum.


Mit innigem Ausdruck

Mühelos schlanke Höhen ließ Heike Richter in allen Rezitativen und Arien hören. Besonders innig geriet hier "O Golgatha! Platz herber Schmerzen". Im kantablen Miteinander trat die Solovioline, gespielt von Beatrix Seidlitz, gleichermaßen sensibel und expressiv hinzu. Innigkeit verströmte "Seht Menschenkinder, der Fürst der Welt vergeht". Tragfähig und eindringlich gerieten Alexandra Jakobs Arien, wie "Klaget nur, ihr Kläger hier" oder der Choral "Wenn ich einmal soll scheiden."


Außergewöhnliche Aufführung

Mit den Pilatusworten trat Tenor Matthias Erler solistisch aus dem Chor hervor. Unter der stets souveränen Leitung von Markus Heunisch erlebten die Zuhörer die von großer Ruhe und wohltuender Geschlossenheit geprägte Interpretation einer Passion, die sich in ihrer Einfachheit (im Vergleich zu Bach) der schlichten Darstellung des dramatischen Geschehens widmet. Chor und Orchester sowie Continuo agierten konzentriert, sowie stets homogen und klangschön. Eine außergewöhnliche Aufführung von starker emotionaler Nachhaltigkeit, deren Wiederholung zu gegebener Zeit durchaus wünschenswert wäre.
Auf Applaus wurde aufgrund des Karfreitags verzichtet. Nach einer angemessenen Stille wurde das spürbar beeindruckte Publikum in den Abend entlassen.