Druckartikel: Pädagogik und Rock 'n' Roll

Pädagogik und Rock 'n' Roll


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Samstag, 02. April 2016

Markus Häggberg D erzeit gibt es wieder viele schwarz gewandete Festivalgäste in der Korbstadt. Das sind Menschen, die gerne unglaublich laute Musik hören u...


Markus Häggberg

D erzeit gibt es wieder viele schwarz gewandete Festivalgäste in der Korbstadt. Das sind Menschen, die gerne unglaublich laute Musik hören und so tun, als seien sie heidnische Rocker oder rockende Heiden aus dem hohen Norden, mit einer Macke für Lederkluft und zerlaufene Schminke. Oder so. Auch scheinen sie ordentlich Durst zu haben und eine gewisse Freude an Flaschen und Dosen. Im Allgemeinen gelten sie aber auch als gut verstellt und in Wirklichkeit oft sehr gebildet. Kurz und gut: schwer einzuschätzen.
Hier beginnt unsere Geschichte und spielt doch zwölf Monate vorher. Vor einem Jahr also stand ein kleiner Junge am Zaun des Festivalgeländes und schaute ins Geschehen. Sein Opa hatte ihm erklärt, dass die Wilden nach Lichtenfels gekommen seien, und da wollte der Junge diese Wilden eben auch mal sehen. Zuerst hatte sein Opa Bedenken, denn all diese Schwarzkutten und die Drogen und so. Aber er konnte seinem kleinen Enkel erklären, dass er keine Angst zu haben bräuchte, da ja sein Opa bei ihm sei. Ob der kleine Junge eine Gefahr sah, ist nicht bekannt. Sein Opa aber schien mit dem sich ihnen bietenden Anblick zu fremdeln und warnte den Jungen, nicht auch einmal so zu werden.
An diesem Punkt war die Brühe verschüttet, wie man so schön auf Hochdeutsch parliert. Denn nun war jede pädagogische Linie beim Deibel, nun würde das Kind nämlich Fragen stellen, deren Beantwortung ihm kein einheitliches Bild einbringen konnte. Ein Beispiel: "Opa, warum sind die denn alle so schwarz angezogen?" Antwort: "..." Nun gut, es war aber auch wirklich schwer, darauf etwas zu antworten.
Dann eine neuerliche Frage: "Duhu, ist das Bier, was die trinken?" Und Opa sagte: "Schlimm das, fang' du bloß nicht später auch damit an." Darauf der Junge: "Warum hast du damit angefangen?" Und Opa sagte gar nix. Aber jetzt wurde es richtig gut. "Opa, warum ist die Musik so laut?" Antwort: "Weil die hier alle spinnen!" Nun wollte das Kind wissen, ob seine Mutti denn auch spinnt, wenn sie mal laut Musik hört. "Ja. Aber nicht so. Also nicht so sehr." Aber da die jungen Menschen in den schwarzen Kutten auch sehr ausgelassen sind und sich manche von ihnen als Wikinger oder so verkleidet auf dem Gelände in gestellten Schwertvorführungen verkloppen, wirft das in kleinen Jungs Fragen auf.
Man reflektiert ja schließlich auf die eigene Erziehung. "Opa, ich darf nicht schubsen und so. Im Kindergarten darf ich das nicht. Warum dürfen die das?" Jetzt war Opa gefordert und Opa gab sein Bestes. Aber das blieb farblos und gedanklich abwesend: "Wenn man groß ist, dann ... darf man das wieder." Das Kind blickte hinauf in das Gesicht seines Opas, kurz und gut: schwer einzuschätzen.