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Ovationen - auch für 9-Jährigen


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Montag, 01. Juli 2019

Zweieinhalb Stunden gab's vergnügliche Einblicke in ein gut ausgewähltes Allerlei der Musikgeschichte.
Der eine gibt alles, der andere wirkt eher beschwichtigend: Tenor Malte Müller und Dirigent Heinz Wilk arbeiteten auf ihre Weise an Georg Friedrich Händel. Foto: Markus Häggberg


Kurz unterm Dachboden wird es in Sommern schwül. Da bilden Stadtschlösser keine Ausnahmen. Und doch war der großzügig bestuhlte Saal gut besucht. Die zweite Auflage der Sommer-Klassik bot eine "Serenade" und zweieinhalb Stunden vergnügliche Einblicke in ein gut ausgewähltes Allerlei der Musikgeschichte. Das Instrumental-Collegium und drei Stimmen waren dafür verantwortlich.

Man fächerte sich Luft zu. Beiläufig, denn man hatte an diesem Samstagabend als Publikum ja auch noch aufzupassen. Dass man das bei diesen derzeit üblichen Temperaturen gerne tat, hat wohl mehrere Gründe. Lichtenfelser fühlen sich der noch jungen und durch die Stadt sowie das Instrumental-Collegium geschaffenen Klassik-Einrichtung "Sommer-Klassik" verbunden, sind gespannt auf das Programm und natürlich auch auf jemanden wie Malte Müller. Doch auch wenn der Lichtenfelser Tenor in jüngster Zeit landesweit gehäufter aufhorchen lässt, sollte es vor allem auch ein Neunjähriger sein, über den nach Konzertende wertschätzend getuschelt wurde.

Aus dem Gedächtnis gespielt

Clemens Reißenweber hatte sich seit März auf seinen Auftritt vorbereitet. Beispielsweise auf all die frei aus dem Gedächtnis zu spielenden Noten im Allegro von Mozarts Konzert A-Dur für Violine und Orchester KV 219 oder den Umgang mit den Tempowechseln. So stand der Junge da, im Rücken das Collegium und vor sich wohl 160 Besucher. Doch der Junge spielte prima, sorgte für Erstaunen und meisterte sehr schwierige Passagen. Später, im Nachgang, sollte er eingestehen, dass es ihm mit Mozart nun auch ein bisschen reiche und dass er auch seine Freude daran gehabt habe, seinen Opa im Orchester zu wissen. Letztlich sollte auch der Bub in die Erfahrung stehender Ovationen kommen, die dem Ensemble und ihm galten.

Heinz Wilk am Pult

Überhaupt, das Ensemble: In vollständiger Besetzung waren es 30 Musiker, die Dirigent Heinz Wilk zwischen Bläsern und Streichern agogisch auszurichten hatte, zwischen französischer höfischer Musik, Barock und Spätromantik. Denn was mit Charpentiers Prelude aus dem Te Deum, auch als Eurovisionsfanfare bekannt, begann, streifte auch Elgars Serenade e-Moll op. 20.

Was neben dem rein Musikalischen sonst noch zu den abendlichen Annehmlichkeiten der Serenade zählte, war die Form angenehmer Wissensvermittlung. Infotainment, quasi. Verantwortlich hierfür zeichnete Bernd Legal, der sonor moderierend durchs Programm führte, Wissenswertes mit Anekdotischem mixte und Schlagfertigkeit bewies. Als er Händels Arie "Where Ever You Walk" übersetzte und zur Passage kam, bei der Malte Müller von Erquickung und Kühle zu singen hatte, war ein Aufstöhnen im Publikum vernehmlich. "Ich habe Sie offenbar mit meinem Text erreicht", so Legal launig kommentierend.

Mit seiner Art erreichte auch Tenor Malte Müller. Klar, gerade ein Händel bietet die Möglichkeit zu Belcanto-Gesang, aber irgendwie wollte es scheinen, als ob Georg Friedrich Händel Müller auch irgendwie noch besonders guttat; leidenschaftlich, sangeslustig und ausdrucksstark absolvierte Müller zwei Arien für Tenor und Streicher.

Bachs berühmte Kaffee-Kantate

Doch auch Legal (Bass) hatte zu singen, so wie in Bachs berühmter Kaffee-Kantate. Mit der Sopranistin Matthia Fischer bildete er ein Vater-/Tochter-Gespann, welches so seine Meinung zu Kaffee hatte. Es war Modegetränk, von den Osmanen ins Land gebracht und es genoss bei der Jugend Anhänger. Legal, als Vater Schlendrian aber warnte, zürnte, hob den Zeigefinger und das alles mit beeindruckender Tonalität und Können. "Du loses Lieschen, du", so Schlendrian schimpfend. Seine "Tochter" aber trank auf der Bühne Kaffee, gab in Jugendlichkeit ausstrahlendem Sopran Widerworte und trank weiter. Höhepunkt dieser Szenen war die Passage, als man mit Malte Müller (Erzähler) zu dritt etwas Großes zu bewältigen hatte. Jene Tonläufe, bei denen man Teil des Gesamtgefüges ist, auch wenn man nebeneinander stehend voneinander abweichende Noten zu singen hat, um diese wiederum zu einem Ganzen zu fügen.

Nach zweieinhalb Stunden sollte ein reicher Abend zu einem Ende kommen. Humorig noch dazu. Dvoráks Humoreske, nicht "vorbereitet", aber für Publikum als Zugabe "parat" gehalten von einem Instrumental-Collegium, zu dem eine Zuschauerin sich wunderte: "Ich finde, dass das Orchester - obwohl die Mitglieder ja keine Profis sind - ganz, ganz prima ist."