Druckartikel: Onkel Mehmet ist der Erbe Tante Emmas

Onkel Mehmet ist der Erbe Tante Emmas


Autor: Klaus-Peter Gäbelein

Herzogenaurach, Freitag, 06. Sept. 2019

Beim Tag des offenen Denkmals kann man in Herzogenaurach auch eine "Institution des kleinen Mannes" anschauen. Der Heimatverein bietet am Sonntag, 8. September, Führungen durch den ehemaligen Krämerladen in der Hauptstraße 12 in Herzogenaurach an.
Bar zahlen oder anschreiben lassen: Beides ging früher in den Tante-Emma-Läden. Der Heimatverein bietet am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, Führungen durch den ehemaligen Tante-Emma-Laden in der Herzogenauracher Hauptstraße 12 an.  Foto: Richard Sänger


Bis 1978 gab es in der Herzogenauracher Hauptstraße Nr. 12 einen Tante-Emma-Laden. Der Heimatverein bietet am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, Führungen durch das alte Gemäuer an, und zwar zu jeder vollen Stunde um 10, 11 und 12 Uhr. Treffpunkt ist jeweils am Fehnturm.

Trotz aller elektronischen Spielsachen gibt es sie auch heute noch: die gemütlichen Puppenstuben oder Kaufläden und nicht nur Mädchen erfreuen sich an ihnen. Für viele Omas und Opas sind sie eine nette Erinnerung an die "gute alte Zeit".

Im deutschsprachigen Raum ist der sogenannte Tante-Emma-Laden die umgangssprachliche Bezeichnung für ein kleines Einzelhandelsgeschäft, das Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs anbietet.

Persönliches Verhältnis

"Tante Emma" stand für die Durchschnittsfrau, zu der man als Nachbar noch ein persönliches Verhältnis hatte, als Kontrast zu unpersönlichen Selbstbedienungsläden mit ihren Einkaufswagen, die allerdings auf die Kinder einen ungeahnten Reiz ausübten. Außer Lebensmitteln und eben "Kolonialwaren" gab es bei "Tante Emma" vieles für den täglichen Bedarf: Haushaltswaren vom Putzmittel bis zum "Zwirn", Textilien und Kurzwaren (Schuhbändel, Reißverschlüsse), Schreibhefte und Bleistifte: alles, was man im Alltag benötigte.

Im Tante-Emma-Laden konnte man "anschreiben" lassen. Die Ladenbesitzerin trug fein säuberlich in ein Heftchen ein, was der Kunde gekauft hatte und er bezahlte am Wochenende (wenn der Familienvater seinen Wochenlohn ausbezahlt bekam) oder gar erst am Monatsende.

Zusätzlich gab es Rabatthefte für die Rabattmarken (drei Prozent. Hausfrauen und Kinder bekamen kleinere Gratiszugaben und Warenproben: Aus dem großen Bonbonglas wurden Lutscher, Karamellbonbons oder saure Bonbons für die Jüngsten hervorgeholt und manches Mal - bei größeren Einkäufen - gab es sogar "a Tütla oder a "Scharmützerla" Bonbons (Scharmützel waren die spitzen Dreieckstüten für offene Lebensmittel).

"Gleitende" Öffnungszeiten

Da sich die Wohnung des Eigentümers im Regelfall über oder hinter dem Geschäft befand, konnte man im Notfall auch nach Geschäftsschluss Vergessenes holen. Die Ladenschlussgesetze wurden da nicht so genau eingehalten wie heute. Mit dem gesetzlichen Verbot der Preisbildung ab 1974 oder dem Siegeszug der Discounter war der Niedergang dieser Verkaufskultur endgültig besiegelt.

Heute gilt der nostalgische Begriff Tante-Emma-Laden als Synonym für eine intakte persönliche Beziehung und Dienstleistungsbereitschaft zwischen dem lokalen örtlichen Händler und seinen Kunden ganz im Gegensatz zum anonymen Discounter, Kaufhaus mit Selbstbedienung oder der Einkaufspassage. Besonders im ländlichen Raum und in den kleineren Städten liebte und schätzte man den privaten Kontakt mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin.

Heute gibt es vor allem auf dem Land wieder Bemühungen, für weniger mobile Kunden solche Läden wiederzubeleben und in manchen Großstadtbezirken (Berlin!) mit hohem Ausländeranteil kennt man "Onkel-Mehmet-Läden", die die Nahversorgung übernehmen. red