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Oberfrankens gallisches Dorf


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Neustadt bei Coburg, Montag, 13. Dezember 2021

Adventsserie  Ohne viel Geld, dafür mit enormer Leidenschaft eilen Athleten aus Höhn zu nationalem und internationalem Ruhm. Abteilungsleiter Ralf Stejskal verrät das Erfolgsrezept der verschworenen Truppe.
Auf den idyllischen Wegen rund um die Bergdörfer herrschen optimale Trainingsbedingungen. Egal ob im Frühjahr oder im Winter, wenn die Loipen bei entsprechender Schneelage gespurt sind.


Wenn er läuft, dann fühlt sich Daniel Götz frei. Manchmal sogar schwerelos, mit sich und seinen Gedanken im Reinen. Probleme lässt der in Wildenheid (Landkreis Coburg) aufgewachsene und jetzt in seiner Wahlheimat München lebende Extremsportler nach getaner Arbeit einfach hinter sich, er ist eins mit der Natur - es ist einer dieser Momente, die bei den Sportlern des SV Bergdorf-Höhn die Grundlagen für ihre vielen Erfolge legen.

Und diese Momente durchlebt nicht nur Götz immer wieder: Die komplette Leichtathletik- und Wintersportabteilung des SV steht für Trainingsfleiß, Ehrgeiz und Zusammenhalt. Und deshalb steht im Mai nicht nur ein Mensch in unserer Serie im Vordergrund, sondern ein Verein, der Herausragendes leistet.

Vor allem Götz hat ein beeindruckendes Jahr hinter sich. Er gewann nicht nur sensationell den traditionellen Rennsteiglauf und wurde Fünfter bei der deutschen Berglauf-Meisterschaften, sondern das Energiebündel holte überraschend auch den Titel bei den bayerischen Berglauf-Meisterschaften.

Tolle Erfolge, die nicht von ungefähr kommen. Der Ausdauerathlet legte den Grundstein für seine Triumphe im Wonnemonat Mai, in dem die wichtigsten Wettkämpfe eigentlich stattfinden sollten. Er nutzte die Zeit für zahlreiche Trainingseinheiten, bereitete sich gewissenhaft auf die coronabedingt in den Herbst verlegten Läufe vor.

Aber der Star beim SV Bergdorf-Höhn ist nicht der Einzelne, sondern die verschworene Gemeinschaft. Und das von Januar bis Dezember. "Hier hilft jeder jedem. Einer für alle. Alle für einen. Nur so kann man gegen vermeintliche größere Gegner bestehen", sagt der rührige Abteilungsleiter Ralf Stejskal.

Auf natürliche Weise gewachsen

Während Fußballer zum Teil bereits auf Kreisebene mit Geld und Prämien zu Vereinen gelockt werden und die Teams bei Misserfolg regelrecht auseinanderfallen, seien die beiden Ausdauersport-Abteilungen des SV Bergdorf-Höhn und deren Erfolg in den vergangenen Jahren auf natürliche Weise gewachsen. Ob Kreismeister, bayerischer Meister, deutscher Meister oder Teilnahme an Europameisterschaften: "Geld bekommt bei uns keiner. Startgelder werden von unseren Sportlern selbst bezahlt. Nur bei Meisterschaften wird dieses Startgeld rückerstattet", sagt Stejskal.

Aber warum sind die Sportler trotz dieser auf den ersten Blick eklatanten finanziellen Nachteile für die Aktiven trotzdem so erfolgreich? Dafür gibt es nach Überzeugung von Stejskal mehrere Gründe: Erstens, weil sein Klub dadurch viele Charakterköpfe und Menschen mit extremer intrinsischer Motivation anzieht. Für die Höhner Ausdauersportler sei schließlich der Sport nicht Mittel zum Zweck, sondern eine Lebenseinstellung. Kurzum: "Wir tun es, weil wir es lieben - und nicht für Geld."

Topläufer und Topfahrer beim SV

Mit Florian Beck, Dominik Mages und Daniel Götz verfügt der SV Bergdorf-Höhn im Männer-Bereich gleich über drei der besten bayerischen Läufer. Aber auch Jens Fleischhauer, Frank Elsner, Andreas Neuwald und Michael Wolter zählen zu den Top-Seniorenläufern der Region. In der neu formierten Radsportabteilung treffen junge Wilde, wie der derzeitige Topfahrer Felix Pöpperl, auf Koryphäen wie Volker Stegner sowie Harald Höhn. Neu dabei ist außerdem der zigfache bayerische Meister und Radsport-Trainer Christopher Schunk.

Herausragende Athleten

Ralf Stejskal selbst ist als Langläufer eine Legende seines Sports im Landkreis Coburg. Außerdem sind er und Tom Heumann die beiden "Masterminds" hinter den vielen Events in Höhn. Alle eint die bedingungslose Liebe zu ihrer jeweiligen Sportart.

Ein weiterer Grund für den Erfolg: In Höhn sind alle gleich. So stehen beispielsweise die Spitzenläufer beim Honda-Berglauf genauso als ehrenamtliche Helfer bereit wie alle anderen Abteilungsmitglieder. Nicht selten nehmen einige noch die Doppelbelastung Helfer und Laufteilnehmer während eines Tages gerne in Kauf. Im Übrigen werden auch die Höhner Loipen ehrenamtlich gespurt, und das bei entsprechender Schneelage täglich.

Und drittens verbindet viele Sportler in dem am höchsten gelegenen Stadtteil der bayerischen Puppenstadt Neustadt bei Coburg nicht nur die Sportleidenschaft, sondern darüber hinaus eine langjährige Freundschaft. "Wer sich im Wettkampf unter Extrembedingungen aufeinander verlässt, der weiß, dass man auch im echten Leben aufeinander zählen kann", sagt Daniel Götz. Laufen, Radfahren und Skilanglaufen mögen zwar auf dem Papier Einzelsportarten sein, aber der SV Bergdorf-Höhn sei wie ein "gallisches Dorf", sagen Götz und Stejskal übereinstimmend. Und doch geht es nicht ganz ohne Geld. Bei Veranstaltungen ist der Klub auf Sponsoren angewiesen, um die Sachpreise, Urkunden und Medaillen zu bezahlen. Dieses Suchen nach Sponsoren sei im vergangenen Jahrzehnt immer schwieriger geworden. So würde der SV Bergdorf-Höhn zum Beispiel gerne die Fahrtkosten seiner Topläufer zu Wettkämpfen erstatten, kann dies aber aktuell finanziell nicht stemmen. Genauso kostet der Unterhalt der Pistenraupe jährlich einen vierstelligen Betrag.

"Unsere Sponsorenanfragen laufen - mit einigen Ausnahmen - oft ins Leere, weil die wenigen Sponsoren bereits die vermeintlich großen Fußballklubs der Region sowie Handball und Basketball unterstützen. Unter den rein sportlich betrachteten Gesichtspunkten sind unsere Topläufer denen aber mindestens ebenbürtig und in einigen Fällen sogar deutlich voraus", beklagt Stejskal die aktuelle Lage.

Dass der Ausdauersport keine Lobby hat, damit haben sich der Abteilungsleiter und sein starkes Team mittlerweile abgefunden. Aber: "Leidenschaft und Erlebnis sind unterm Strich ohnehin viel mehr wert als Geld", weiß Götz.