Druckartikel: Noble Spender aus Übersee

Noble Spender aus Übersee


Autor: Siegfried Sesselmann

Wartenfels, Montag, 01. Oktober 2018

Was die Wartenfelser Traischelkapelle mit Auswanderern nach Amerika zu tun hat.
Klara Ernst, eine geborene Vogler aus der Papiermühle, hat viele Fotos von ihrem Onkel Georg, der nach Amerika ausgewandert ist und das Kreuz auf der Traischel 1972 erneuern ließ. Fotos: Siegfries Sesselmann


Siegfried Sesselmann Wie ein Lauffeuer verbreitete sich 1929 eine Nachricht in Wartenfels: Die Amerikaner kommen. Gemeint waren die Papiermüllers Babette samt Mann und Tochter. Eigentlich kam so etwas öfter vor, denn zwischen 1850 und 1900 waren aus Wartenfels und Umgebung etwa 50 Auswanderungen in die USA bekannt.

Einer, der sein Glück in Übersee suchte, war Georg Schultheis. Um seinen Eltern ein ewiges Andenken zu schaffen und an deren Hochzeit im Wartenfelser Gotteshaus zu erinnern, stiftete er die St.-Georgi-Glocke, genannt nach dem Stifter.

Zurück zur jungen Barbara (Babette) Vogler (geboren 1873) aus der Papiermühle. Sie wanderte 1893 nach Amerika aus. Nach einer ersten Ehe heiratete sie 1928 in New York einen Witwer namens Johann Pfister, dessen Wurzeln in Wiesengiech bei Scheßlitz lagen. Ihr Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten, vom Glück in der Ferne und vom gewissen Vermögen ging in Erfüllung. Ihr Mann besaß ein Geschäft in New York. Kurz vor dem Rentenalter reiste er mit Frau und Tochter Margareta nach "good old Germany".

Zufall oder Absicht?

War es lange vorbereitete Absicht, Zufall oder sogar Liebe? Babettes Bruder Nikolaus Vogler (geboren 1878) hatte einen Sohn, den Wagner Georg Vogler (geboren 1906), der der Bräutigam seiner Stiefcousine Margareta aus Amerika werden sollte. Die Eltern Pfister kauften das Haus mit der heutigen Nummer 81 und bauten es für sich um, um dort zu leben oder es ihrer Tochter zu überlassen.

Am 20. Oktober 1929 ehelichte Georg Vogler die Privatierstochter Margareta Pfister, geboren 1902 auf Long Island. Bürgermeister Johann Andreas Rosenbusch aus der Boxmühle fungierte als Standesbeamter. Mit Stolz wählte man die Berufsbezeichnung Privatier, denn man wollte zeigen, dass man finanziell nicht mehr darauf angewiesen war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er besaß in New York einige Immobilien und die waren auch in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nach 1929 eine sichere Geldanlage.

Die großzügige Spende der Familie Pfister zum Bau einer neuen Kapelle auf der Traischel erfreute die Wartenfelser besonders. Mit dem Bild der Maria, die dem Heiligen Dominik einen Rosenkranz überreicht, setzte der Spender seiner Tochter ein immer währendes Gedenken. Sie war am 8. August, dem Gedenktag Dominiks, geboren.

Stand auf dem Hausberg der Wartenfelser schon eine alte, baufällige Kapelle aus Holz, so sollte 1930 ein massives, schmuckes Gotteshaus entstehen. Über dem Eingang wurden die Spender für alle sichtbar verewigt: "Joh u Bab Pfister 1930 RJP".

Flucht aus Nazi-Deutschland

Der Name Traischel scheint schon uralt zu sein, niemand weiß mit Sicherheit die Bedeutung. Auf einer Landkarte aus dem Jahr 1840 ist ersichtlich, dass der gesamte Berg zum Haus Nummer 50 gehörte - zur Papiermühle.

Nachdem Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, ergriffen das Ehepaar Pfister und das jung vermählte Paar Vogler die erste Gelegenheit, in die Staaten zu reisen. Sie ahnten wohl , was auf Deutschland zukommen könnte.

Mit Sicherheit befürchtete er den Verlust seiner Immobilien. So brach der Kontakt zwischen der Papiermühle und der Verwandtschaft in Amerika ab, wohl auch, weil der Briefwechsel der Zensur unterlag und es bei Kriegsbeginn nicht opportun war, in den USA Deutscher zu sein.

Mittlerweile wanderte Georg Voglers Schwester Kunigunda (geboren 1908) ebenfalls nach Amerika aus und heiratete dort einen Schubert. Zwei Brüder von Georg fielen im Krieg: Ludwig und Heinrich. So blieben nur noch Johann Vogler (geboren 1909), der Schuhhändler wurde, und der jüngste Sohn Josef (geboren 1913), der die Papiermühle übernahm. Die älteste Tochter Margareta ehelichte 1939 den Wirt Joseph Braunersreuther in Schwand.

Nach dem Krieg zog es Georg Vogler wieder in sein Heimatdorf. Ab 1950 besuchte der mittlerweile 44-Jährige alle zwei Jahre Wartenfels. Seine Frau Margareta Pfister war kurz nach dem Krieg verstorben. Beide hatten zwei Kinder, John und Margareta, die heute noch in den USA leben.

1967 heiratete Georg, nun George, im Alter von 61 Jahren in den Vereinigten Staaten eine 36-jährige Wilhelmine (geboren

1931), deren Wurzeln in Schwaben lagen. Fünf Jahre später, das hölzerne Kreuz neben der Traischelkapelle war bereits stark verwittert, finanzierte George mit 5000 Mark ein neues Kreuz mit einem steinernen Corpus. Eine kleine Metallplatte auf der Rückseite erinnert an die edle Spende: "Gestiftet von Mina und George Vogler, NEW YORK, 1972."

1997 starb George Vogler, 2012 seine Frau Wilhemine, seine Mina. Der große Sohn John ist mittlerweile 86 Jahre alt und die Enkel und Urenkel sprechen die Sprache ihrer Vorfahren nicht mehr. Wenn das Wartenfelser Blut bei ihnen irgendwann einmal wieder Heimweh entfacht, kann man hoffen, dass sie wieder wie ihre Ahnen kommen, um nicht nur die Traischelkapelle zu bewundern. "Back to the roots" ist ein neuer Trend in Amerika.

In der Zwischenzeit hegen und pflegen viele engagierte Wartenfelser ihr Wahrzeichen, das mittlerweile sogar einige Fahnen ziert.