Nils darf in die Regelschule
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Dienstag, 30. Juni 2020
Der Elfjährige mit Down- Syndrom besucht im kommenden Jahr die Mittelschule in Lautertal - der Weg dahin war mit bürokratischen Hürden gepflastert ... bis das Schulamt schließlich über seinen Schatten sprang und eine Zuweisung erteilte.
Nils sitzt am Küchentisch. Homeschooling ist angesagt, und er ist fast fertig. Mathe muss er noch machen. Er hat ein paar Fragen. "Ich helfe Dir gleich", sagt seine 14-jährige Schwester Luna. Jetzt soll er erst mal ein bisschen spielen. Der geistig behinderte Junge wird der erste sein, der im kommenden Schuljahr eine Mittelschule in einer Klasse mit 29 nicht behinderten Kindern besucht. Der Weg, die richtige Schule zu finden, war steinig. Doch im September wird Nils, der das Down-Syndrom hat, in die 5. Klasse der Mittelschule am Lauterberg in Lautertal gehen - bloß, wie er da hin kommt, und wer die Fahrtkosten übernimmt, war bis Dienstagabend ein Problem.
Übertritt steht an
Der Elfjährige geht zur Zeit in die vierte Klasse der Mauritiusschule in Ahorn. Zusammen mit nicht behinderten Kindern aus der Johann-Gemmer-Schule.
Die Eltern legen Wert darauf, dass Nils weiter mit nicht behinderten Kindern unterrichtet wird. "Uns ist das soziale Miteinander wichtig", sagt Vater Jens im Gespräch. Es habe Nils und auch seinen Klassenkameraden gut getan. Sie hätten viel voneinander gelernt. "Da es im weiterführenden Bereich keine Partnerklassen gibt, möchten wir unseren Sohn auf einer Mittelschule einzelinkludieren", schreibt Jens Neugebauer in seinem Gastschulantrag ans Amt für Schule, Kultur und Bildung.
Keine Profilschule
Die Familie hat mit in Frage kommenden Schulen im Stadt und Landkreisgebiet Gespräche geführt. "Vordergründig war für uns wichtig, dass diese Schulen inklusive Beschulung vorhalten und anbieten. Erschwerend ist dabei aber die Inklusion eines geistig behinderten Kindes in den Fokus zu nehmen. Für diese Art der Beschulung gibt es im Stadt und Landkreisgebiet keine Schule, die ein ausgereiftes Konzept der Inklusion anbietet," heißt es weiter.
Blutige Nase geholt
Die Neugebauers wurden zusammen mit der Inklusionsbeauftragten Christine Heider auch an Gymnasien und an der Realschule CO II vorstellig. "Bei den Gymnasien haben wir uns eine blutige Nase geholt", erzählt der Vater. Entweder sie wurden gar nicht erst empfangen oder von oben herab behandelt. "Dabei stand bei uns der Inklusionsgedanke an oberster Stelle. Bei Nils geht es nicht darum, die geforderten Leistungen zu erbringen", erläutert Jens Neugebauer. Allerdings hätte sich schnell gezeigt, dass Gymnasien wegen ihres wenig praktischen Unterrichts ungeeignet für Nils seien.
Positiv überrascht war er dagegen von der Realschule. Der Rektor habe sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt und schlüssig argumentiert.
Rückertschule ist keine Option
Als Stadtkind wäre für Nils die Rückertschule die erste Adresse. Doch die kommt für Familie Neugebauer nicht infrage. Der Vater begründet, warum: "Nach vielen Gesprächen möchten wir unseren Sohn nun in die Mittelschule Lautertal geben, da es hier Kooperationsstrukturen zur Schule am Hofgarten gibt. Ähnliche Strukturen gibt es an der Rückertschule nicht. Weiterhin gilt die Rückertschule als Brennpunktschule, welche auf die Bedürfnisse eines Kindes mit einer geistigen Behinderung, und einem Pflegegrad 4 nicht vollumfänglich eingehen kann." Das Amt für Schule erkannte dies als zwingenden Grund an und genehmigte die Aufnahme in Lautertal. Soweit der Stand.