Druckartikel: "Niemand muss an die Echtheit des Tuches glauben"

"Niemand muss an die Echtheit des Tuches glauben"


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Freitag, 01. Sept. 2017

Seit seiner Gymnasialzeit beschäftigt sich der heute 86-jährige Erzbischof emeritus Karl Braun mit dem Turiner Grabtuch. Auch sein bischöflicher Wahlspruch ...
Karl Braun


Seit seiner Gymnasialzeit beschäftigt sich der heute 86-jährige Erzbischof emeritus Karl Braun mit dem Turiner Grabtuch. Auch sein bischöflicher Wahlspruch "Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben (Joh. 19,37)" prädestiniert ihn für eine spirituelle Betrachtung des Tuches. So wird der in Wildensorg lebende Alt-Erzbischof die Eröffnung der Ausstellung "Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche" mit seiner Ansprache "Von Angesicht zu Angesicht - Begegnung von Außen nach Innen" mitgestalten. Unsere Zeitung sprach mit ihm über die Bedeutung der Präsentation im Diözesanmuseum.

Der Mensch des 21. Jahrhunderts ist nur schwer oder gar nicht davon zu überzeugen, dass das Turiner Grabtuch ein authentischer Beweis für die Existenz des Jesus von Nazareth sein könnte. Was soll dann eine solche Ausstellung über das Tuch bewirken?
Karl Braun: In der herrschenden Gottesfinsternis kann die Ausstellung ein Türchen öffnen. Denn durch die gesamte Menschheitsgeschichte und in allen Religionen zieht sich die Sehnsucht, Gott möge sich in anschaulicher Weise zeigen.
Für Christen hat sich dieses Sehnen in Jesus Christus erfüllt. In ihm ist tatsächlich der unsichtbare Gott sichtbar geworden, sichtbar in einer individuellen menschlichen Existenz. Bei unserer Suche nach ihrer authentischen Gestalt finden wir die wohl überzeugendste Antwort im Turiner Grabtuch.

Kritische Geister halten eine solche Behauptung - mit Verlaub - doch wohl eher für Humbug, oder?
Niemand ist verpflichtet, an die Echtheit des Tuches zu glauben. Die Kirche spricht deshalb hier nicht von einer Reliquie, weil es bisher keine hundertprozentigen wissenschaftlichen Beweise für die Authentizität des Tuches gibt. Sie bezeichnet es vielmehr als eine mit Blut geschriebene Ikone, wie Papst Benedikt XVI. sagte.

In welcher Grundhaltung sollte sich der Ausstellungsbesucher denn den Exponaten rund um diese Ikone nähern?
Ich empfehle, die Exponate nicht ausschließlich nach wissenschaftlich-pragmatischen Kriterien anzuschauen, sie zu beurteilen und sich damit zu begnügen. Es sollte schon für den Hintergrund, für die geistig-geistliche Aussage der verschiedenen Objekte Interesse aufgebracht werden.
Das Schauen mit den Augen der Seele und des Herzens bedarf im Zeitalter einer überbordenden Bilderkultur einer gewissen Übung.

Das Gespräch führte
Marion Krüger-Hundrup.