Druckartikel: Nicht alltägliche Größenordnung

Nicht alltägliche Größenordnung


Autor: Peter Schmieder

Zeil am Main, Mittwoch, 27. Januar 2016

Das Landgericht in Bamberg setzte den Drogenprozess gegen die Zwillingsschwestern aus dem Landkreis Haßberge mit Zeugenvernehmungen fort. Sie brachten aber kaum Klarheit in den Fall.


Peter Schmieder

Am Mittwoch wurde vor dem Landgericht in Bamberg der Prozess gegen zwei 41-jährige Zwillingsschwestern aus dem Kreis Haßberge wegen Handels mit Betäubungsmitteln fortgesetzt. Bei einer Hausdurchsuchung am 8. April 2015 hatte die Polizei in einem Haus in Zeil, das die beiden gemeinsam bewohnten, 110 Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von etwa 20 Kilogramm gefunden. In einer ersten Pressekonferenz nach dem Fund hatten Polizei und Staatsanwaltschaft den Verkaufswert der Drogen auf etwa 300 000 Euro geschätzt. Die beiden Frauen sitzen seitdem in Untersuchungshaft.
Weiterhin flüchtig ist ein Mann aus Rauhenebrach, der im Verdacht steht, die beiden beliefert zu haben. Seine Wohnung war gleichzeitig durchsucht worden; dabei hatte die Polizei rund drei Kilogramm Haschisch gefunden sowie Waffen und 188 000 Euro. Zu Beginn der Ermittlungen war von einem geringeren Geldbetrag, dafür aber von einer größeren Menge an Drogen die Rede. Der Leiter der Ermittlungen bei der Kriminalpolizei Schweinfurt erklärte diesen Irrtum in seiner Aussage am Mittwoch vor dem Gericht in Bamberg. Demnach hatten sich einige der Platten, die die Polizei zunächst für gepresstes Haschisch gehalten hatte, später als in Form gepresste Geldscheine herausgestellt.
Eine Chemikerin des Landeskriminalamtes, die das Haschisch untersucht hatte, bestätigte Übereinstimmungen zwischen den Drogen, die in der Wohnung des Flüchtigen gefunden wurden und einigen der Haschischplatten aus dem Haus der Angeklagten. Eine Untersuchung der Drogenverpackungen auf DNA und Fingerabdrücke habe keinen eindeutigen Nachweis ergeben, dass die beiden Angeklagten damit in Berührung gekommen seien.
Große Zweifel äußerte der Rechtsanwalt Joachim Voigt am Gutachten eines Schriftsachverständigen. Dieser hatte Beschriftungen der Drogen mit Schriftproben der beiden Angeklagten sowie des mutmaßlichen Komplizen verglichen. Dabei kam er zum Ergebnis, die Beschriftung stamme "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" von Voigts Mandantin. Der Anwalt kritisierte, das Gutachten sei unvollständig. Er zweifelte die Kompetenz des Gutachters an und forderte deswegen ein Gegengutachten.
Die Zeugenvernehmungen am Mittwoch begannen mit einem Mann, der angab, als Unternehmensberater für die beiden Angeklagten tätig zu sein. Auf die Frage, ob er selbst von den beiden Frauen Drogen gekauft habe, verweigerte er nach langer Bedenkzeit die Aussage.
Im Anschluss folgte die Aussage eines Mannes, der derzeit wegen des Schmuggels von Crystal Meth eine Haftstrafe absitzt. In seiner Vernehmung durch den Ermittlungsrichter hatte er damals angegeben, das Geld aus dem Schmuggel zu brauchen, um seine Schulden bei den beiden Angeklagten zu bezahlen, die er noch habe, weil er bei ihnen Haschisch gekauft hatte. Dies bezeichnete er jetzt als Schutzbehauptung. Da nun der Vorwurf einer Falschbeschuldigung im Raum stand, verweigerte er zu weiteren Fragen die Aussage. Der beisitzende Richter Martin Barnickel konfrontierte ihn mit der Aussage vor dem Ermittlungsrichter: "Wenn ich noch mehr sage, müsste ich mit Repressalien rechnen." Der Zeuge entgegnete, dies sei "allgemein üblich in der Szene". Angaben zu bestimmten Personen, vor denen er Angst habe, machte er nicht.
Im Anschluss daran sagte ein Ex-Freund einer Angeklagten aus. Vorgeladen wurde er aufgrund eines SMS-Austauschs, in dem die Schwester seiner früheren Freundin eine Rolle spielte. Die Ermittler hielten es für möglich, dass in dem unverständlichen Text ein verklausulierter Hinweis auf Drogengeschäfte stecken könnte. Verteidiger Voigt wies darauf hin, dass seine Mandantin zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus gelegen hatte. "Da wird sie sich wohl kaum mit jemandem zu Drogengeschäften getroffen haben."
Der nächste Zeuge war ein Mann, dessen Fingerabdrücke auf einem Geldschein in der Wohnung des flüchtigen mutmaßlichen Komplizen gefunden wurden. Der Befragte gab an, Geschäftsbeziehungen zu den beiden Angeklagten gehabt und sie in bar bezahlt zu haben. Zur Frage, wie die Scheine in die Wohnung des Gesuchten kamen, sagte er: "Woher soll ich das wissen? Das ist nicht mein Problem!" Der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt tadelte ihn daraufhin: "Sie müssen nicht so aufgebracht reagieren, wenn ich Sie was frage."
Weiter hörte das Gericht am Mittwoch die Aussagen einiger Beamter der Kriminalpolizei Schweinfurt an, die unter anderem Computer und Kontodaten der Angeklagten überprüft hatten. Deutliche Hinweise auf Drogenhandel fanden sich hier jedoch nicht.
Den Leiter der Ermittlungen fragte der Richter Manfred Schmidt, ob denn eine solch große Menge an Haschisch in einer ländlichen Region wie dem Landkreis Haßberge überhaupt umzusetzen sei. Der Kriminalbeamte erklärte daraufhin, es handle sich um eine "Größenordnung, die auch in München oder Frankfurt bei der Rauschgiftarbeit nicht alltäglich ist." Demnach seien die Drogen wohl nicht in Kleinmengen weiterverkauft worden.
Der Prozess wird am Rosenmontag, 8. Februar, fortgesetzt. Voraussichtlich wird an diesem Tag das Urteil gesprochen.