Nachfahre reiste aus Nürnberg an
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Donnerstag, 25. Sept. 2014
Gedenken Ernst O. Krakenberger kehrte zurück zu den Wurzeln seiner Familie und dankte für das Gedenken an seine Vorfahren. Mit dem ehemaligen US-Politiker Henry Kissinger sind die Bad Kissinger Kissinger nur ganz entfernt verwandt.
von unserem Redaktionsmitglied Ralf Ruppert
Bad Kissingen — Die Lebensgeschichte von Ernst O. Krakenberger ist eng verknüpft mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte: "Meine Eltern flohen 1939 in die Niederlande, ich wurde dort im Dezember 1940 geboren." Während die Eltern zweieinhalb Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern überlebten, war ihr Sohn bei einer deutsch-niederländischen Familie untergebracht: "Wie die allseits bekannte Anne Frank, nur mit dem Unterschied, dass ich überlebte", berichtete der 73-Jährige bei der mittlerweile siebten Stolperstein-Verlegung in Bad Kissingen.
Ernst Krakenberger ist ein Nachfahre der vier Geschwister Kissinger, denen die jüngsten Stolpersteine gewidmet sind (siehe rechts). "Meine Mutter war eine geborene Kissinger", berichtete er.
"Die Stolpersteine sollen aber nicht nur die Erinnerung wach halten, sie sollen auch, gerade in dieser Zeit, in der Antisemitismus wieder salonfähig wird, eine dauerhafte Mahnung für die Zukunft sein", sagte Ernst O. Krakenberger und plädierte für die Verständigung der Religionen und der Völker.
Gerechte unter den Völkern
Die Familie Stockmann, die ihn damals rettete, wurde von Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" ernannt. Zur deutschen Geschichte zitierte Krakenberger seinen Vater: "Ich habe vieles wenig Schönes erlebt, bin aber der Ansicht, dass das Deutsche Volk einer Krankheit erlegen ist, für welche die meisten schon genug direkt oder indirekt bestraft worden sind."
Vor zehn Jahren trafen sich rund 65 Mitglieder aus sieben Ländern der Familie Kissinger in Bad Kissingen.
"Die Stadt Bad Kissingen hat unser Treffen nach Kräften unterstützt und alle, die dabei waren, denken mit Vergnügen und Freude an diese Tage", berichtet der 73-Jährige, der heute in Schwaig bei Nürnberg wohnt. "Es war ein erstes Zeichen, dass die Verbindung Kissinger-Bad Kissingen wieder aufgenommen wurde." Deshalb sei es um so erfreulicher, dass zum Andenken an die vier Mitglieder der Kissinger Familie die Stolpersteine vor einem der Häuser, in dem die Familie damals wohnte, gelegt werden.
"Ausgelöschte Menschenleben"
"Es soll jeder, der hier vorbeikommt durch diese Stolpersteine daran erinnert werden, dass alle Menschen gleich sind, dass es keine rassistischen Vorurteile geben darf und dass nur so das Zusammenleben in Bad Kissin gen eine gute Zukunft haben wird", wünschte sich Krakenberger, der im Gespräch mit der Saale-Zeitung auch ankündigte, noch öfter nach Bad
Kissingen kommen zu wollen.
"Sie zeigen uns hier in Bad Kissingen Ihren Großmut", dankte Bürgermeister Anton Schick (DBK) Krakenberger für seinen Besuch. Die 61 Stolpersteine im Bad Kissinger Stadtgebiet seien "Sinnbild für 61 barbarisch ausgelöschte Menschenleben". Über die Geschwister Kissinger sagte Schick: "Im Dritten Reich war ihnen ein Leben hier nicht mehr möglich, sie wurden in den Tod getrieben."
Marlies Walter, Barbara Thiele und Sigismund von Dobschütz haben in Archiven die Lebensgeschichte der vier Geschwister Kissinger recherchiert. Initiator von Dobschütz verwies darauf, dass die Stolpersteine für alle Opfer des Nazi-Regimes verlegt werden.
Unter den 61 Stolpersteinen sei einer in Garitz auch einem Zeugen Jehova gewidmet.
Nach der Verlegung kam es noch zu einem Gespräch über die Beziehung der Geschwister Kissinger zum US-Politiker Henry Kissinger: Gemeinsame Vorfahren seien Halbbrüder gewesen, berichtete Krakenberger. "Aber Kissinger war nie in Bad Kissingen, das wurde er bereits gefragt", berichtete Sigismund von Dobschütz. Geboren wurde der berühmteste Träger des Namens Kissinger in Fürth, in seiner Kindheit sei er aber auch oft in Leutershausen gewesen. Sigismund von Dobschütz hofft, dass es noch weitere Stolpersteine in Bad Kissingen gibt, Spenden in Höhe von 120 Euro für einen Stein seien jedenfalls willkommen.