Nachbarschaft "unter Strom"
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Freitag, 25. Mai 2018
Um Stromdiebstahl ging es am Amtsgericht. Ein 59-Jähriger soll seine Waschmaschine über die Steckdose einer anderen Mieterin betrieben haben. Das Verfahren wurde wegen des geringfügigen Schadens eingestellt.
Bamberg — Manchmal geht es vor Gericht um hunderttausende Euro. Manchmal aber auch nur um Kleingeld. Weil er Strom im Wert von geschätzt zwei Euro unerlaubt abgezweigt haben soll, erhielt ein Bamberger einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Die Vorwürfe seien "absurd und lächerlich", schrieb er zurück und focht die Entscheidung an. Seinen Einspruch gegen den Strafbefehl wollte der 59-jährige Angeklagte nicht persönlich begründen. Er blieb dem Verfahren fern und schickte seinen Rechtsanwalt Andreas Dräger (Strullendorf) ins Amtsgericht Bamberg vor.
Im Laufe des Nachmittags konnte man an Hand der vorgelesenen Schriftstücke und der gehörten Zeugenaussagen durchaus den Eindruck gewinnen, beim Angeklagten handele es sich um einen notorischen Querulanten, der mit allen und jedem in Streit geriete. Allen voran die Nachbarn in dem Mietshaus, in dem sich der Stromdiebstahl abgespielt haben soll. Besonders ein Pärchen hatte es dem Angeklagten angetan. Die Konfrontation aus Anzeige und Gegenanzeige eskalierte soweit, dass die Frau und ihr Lebensgefährte inzwischen in die Fränkische Schweiz verzogen sind.
Während die Ermittlungen gegen das Pärchen wegen angeblicher Bedrohung inzwischen eingestellt sind, wurde der Angeklagte vor zwei Jahren wegen Beleidigung mit 20 Tagessätzen à 20 Euro bestraft.
Der konkrete Vorfall hatte sich Ende Juli 2017 in der gemeinschaftlichen Waschküche zugetragen, als eine der Mieterinnen, ebenjene Frau, zufällig bemerkte, dass die Waschmaschine des Angeklagten lief. Der Strom dazu sei aus der Steckdose gekommen, die ausweislich der vom Vermieter angebrachten Beschriftung zu ihrer Wohnung gehörte.
Fassungslos
Ob soviel Dreistigkeit sei sie fassungslos gewesen, so die 61-jährige Frau. Ein ähnliches Geschehen habe sie bereits vor einigen Jahren erlebt, als sie plötzlich eine unüblich hohe Stromrechnung erhalten habe. Es seien 90 Euro monatlich mehr gewesen als sonst. Nachforschungen hätten ergeben, dass der jetzige Angeklagte damals ihren Stromanschluss genutzt habe. Das Geld habe sie bis heute nicht wiedergesehen.Nach knapp einer Stunde hatten alle Beteiligten ein Einsehen. Allen voran Amtsrichterin Anne Breith, die von einem "mehr als geringfügigen Schaden" sprach. Nachdem Rechtsreferendarin Walter bei ihrem "Ausbilder" Staatsanwalt Wedekind dessen Zustimmung eingeholt hatte, wurde das Verfahren ohne eine Geldauflage eingestellt. Es ist zu vermuten, dass der Angeklagte mit den Folgen der Einstellung nicht zufrieden sein wird. Immerhin muss er nun zwar nicht die 400 Euro Geldstrafe zahlen, die ihm der Strafbefehl auferlegt hatte. Und auch die Gerichtskosten zahlt die Staatskasse. Dafür kommen Anwaltskosten auf ihn zu, die deutlich höher als 400 Euro liegen dürften.