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Museum gräbt sich in die Tiefe


Autor: Nikolas Pelke

Nürnberg, Montag, 18. März 2019

Für rund 40 Millionen Euro entsteht unter dem Germanischen Nationalmuseum ein spektakuläres Tiefdepot. Die Bauarbeiten sollen im Spätsommer fertig sein.
Die unterirdische Baustelle für das neue Tiefdepot im Bauch des Nationalmuseums in Nürnberg. Foto: Florian Kutzer/GNM


Tief unter dem Germanischen Nationalmuseum tut sich Gewaltiges. Stück für Stück graben sich schwere Bagger in den Untergrund, um neuen Platz für die Aufbewahrung der gigantischen Museumssammlung zu schaffen.

Seit der Gründung des Museums im Jahr 1852 hat sich so einiges zwischen Frauentormauer und Klaragasse angesammelt. Der Sammlungsbestand des Museums umfasst heute mehr als unglaubliche 1,3 Millionen Objekte. Damit ist das Nationalmuseum das größte kulturhistorische Museum des deutschen Sprachraums. Die gigantischen Bestände bilden das Rückgrat des Museums.

Egal ob Gemälde oder Münzen, Instrumente oder Waffen - auf den vielfältigen Artefakten basieren nicht nur die zahlreichen Sonder- und Dauerausstellungen. Auch für die kunsthistorischen Forschungen der Wissenschaftsgemeinde sind die Museumsbestände ein gigantischer Schatz von unvorstellbarem Wert.

Dummerweise müssen die mal mehr, mal weniger zerbrechlichen Gegenstände gehütet werden wie ein Augapfel, damit der Zahn der Zeit an den einzigartigen Erinnerungsstücken der teutonischen Nationalkultur nicht nagen, sondern nur minimal knabbern kann. Dafür sind dem Museum offensichtlich keine Mühen und keine Kosten zu hoch.

Rund 40 Millionen Euro kostet das neue Tiefdepot. Dafür bietet der Neubau nicht nur viel Platz. Außerdem können die Sammlungsobjekte des Museums hier nach allen Regeln der Kunst aufbewahrt werden. Um größtmöglichen Schutz für die wertvollen Gegenstände beispielsweise vor Feuchtigkeit und Grundwasser zu bieten, werden die einzelnen Depots über einen umlaufenden Flur, der zudem als Klimapuffer dient, von der Außenwand entkoppelt.

50 Meter Länge

Fünf Stockwerke tief reicht das neue Depot hinunter in das Erdreich. Über 20 Meter wird das spektakuläre Bauwerk einmal im Großen Klosterhof im Zentrum des Museumskomplexes versteckt vor den Augen der neugierigen Besucher in den Boden hineinragen.

Das Tiefdepot wird sich auf einer Länge von 50 Metern und einer Breite von 27 Metern erstrecken. Die fünf Geschosse bieten dem Museum zusätzlichen Stauraum auf einer Fläche von insgesamt rund 3500 Quadratmeter.

Das Bauvolumen beträgt beeindruckende 28 469 Kubikmeter. Das Museum errichtet grob gesagt ein kleines Hochhaus unter der Erde. Vier Stockwerke sollen ausschließlich für wertvolle Sammlungsobjekte genutzt werden. In einer der fünf Etagen soll die neue Technikzentrale untergebracht werden.

Im Frühjahr 2013 haben die aufwendigen Bauarbeiten für das Kellerarchiv begonnen. Ulrich Großmann, der scheidende Museumsdirektor des Nationalmuseums, rechnet mit dem Abschluss der aufwendigen Bauarbeiten noch in diesem Spätsommer.

Sorge wegen Blindgängern

Die Exponate sollen im Jahr 2021 in das neue Depot umziehen können. Ursprünglich ist Großmann von einem früheren Bauabschluss ausgegangen.

Doch makabre Funde menschlicher Überreste haben den Fortgang kurzzeitig ins Stocken gebracht, und die Bauarbeiten um mindestens rund sechs Monate verzögert. "60 Leichen graben sich eben nicht so schnell aus", sagt Ulrich Großmann zu der außerplanmäßigen Verzögerung. Inzwischen hat Großmann die kleine Zwangspause fast schon wieder vergessen.

"Meine Sorge waren eher Blindgänger im Boden. Das wäre mein absoluter Albtraum gewesen. Wir hätten das ganze Museum ausräumen müssen. Ich will mir die Bombenentschärfung plus Evakuierung gar nicht erst ausmalen", erklärt Ulrich Großmann. Er ist froh darüber, dass dieses Albtraum-Szenario zum Glück nicht eingetreten ist. Derweil buddeln die Bagger weiter im Boden unter dem Museum. Die Besucher bekommen von den Arbeiten tief im Untergrund nichts mit.

Das Nürnberger Haus hat wie sonst auch geöffnet für die Freunde der Nationalkultur. Und tut so, als ob sich im Bauch des nationalen Gedächtnisses nicht spektakuläre Dinge abspielen würden.