Mit "Wallymaus" auf Pilgerschaft
Autor: Josef Hofbauer
Forchheim, Montag, 18. Juli 2016
Seit 2008 gibt es in Gößweinstein das Wallfahrtsmuseum. Leider sind die Besucherzahlen in den letzten Jahren zurückgegangen. Aber das Museum hat Potenzial, findet Museumsleiterin Regina Urban.
Das 2008 eröffnete Wallfahrtsmuseum Gößweinstein bietet jährlich Sonderausstellungen und ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm, das auch internationale, interreligiös-kulturelle und allgemein menschliche Themen berücksichtigt. Hinter historischen Mauern bietet das Museum auf 275 Quadratmetern Ausstellungsfläche, verteilt über drei Etagen Exponate Panoptiken und Videostationen. Leiterin ist Regina Urban.
Museum steht für eine Sammlung bedeutsamer, lehrreicher oder exemplarischer ausgestellter Gegenstände. Trifft dies auch auf das Wallfahrtsmuseum Gößweinstein zu?
Sicher. Doch grundsätzlich finde ich die Bezeichnung Wallfahrtsmuseum unglücklich gewählt. Unsere Einrichtung ist nicht nur für Wallfahrer. Das Motto am Eingang zur Ausstellung verrät es: Leben ist Pilgern. Wir alle sind ein Leben lang unterwegs.
So ist der Begriff Museum nicht mehr unbedingt ein Magnet, wie im 19. Jahrhundert, als das Bürgertum diese Domäne der Aristokratie erobert hatte. Er ist eher negativ behaftet.
Was wollen Sie denn ihren Besucher mitgeben?
Das Wallfahrtsmuseum ist kein Dokumentationszentrum. Hier geht es nicht nur um Informationen, die mit der heutigen Technik jederzeit verfügbar scheinen, sondern um Realien, handfeste Objekte mit einer Geschichte. Und wir zeigen die historischen Zeugnisse des Glaubens und der Frömmigkeit in einem Zusammenhang. So wird die Botschaft "Leben ist Pilgern" verständlich.
Wie wollen bzw können Sie dafür Interesse wecken?
Die Eingangspassage mit dem Hausmotto ist quasi der Auftakt für den interreligiösen Dialog im ersten Raum.
Er lädt ein, sich in anderen kulturellen Hintergründen zu spiegeln und dabei die Unterschiede festzustellen, aber auch die Gemeinsamkeiten. Grundsätzlich geht es bei einem Museumsbesuch darum, sich selbst in Beziehung mit den Exponaten zu setzen. Was war früher anders? Was ist heute noch ähnlich oder ganz aktuell? Was haben wir den Ahnen voraus oder was haben wir verloren? Was ist zeitlos? Solche Fragen schaffen Beziehungen, Identitäts- und Wertebewusstsein.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Ganz einfach: Nehmen wir die Menschwerdung Christi. Da lassen sich leicht Bezüge zu jungen Familien herstellen. Auch Kinder verstehen, dass Babys Fürsorge brauchen, genauso wie das Jesuskind in der Krippe.
Die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten wird angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation leicht nachvollziehbar.
Sind die Exponate nicht eher etwas für Erwachsene?
Keineswegs. Wir haben hier gewissermaßen Puppen, auch wenn sie nie zum Spielen gedacht waren. Die meisten Figuren stellen Kinder dar und zwar in originaler Größe. Sie stehen den kleinen und großen Besuchern vis à vis. Unsere Fatschenkinder z. B. vermitteln eine Ahnung davon, wie Babys früher gewickelt wurden, ganz anders als es die Kinder von den eigenen kleinen Geschwistern kennen. Das ist ein Bereich, in dem Empathie gefördert wird.
Computer kuscheln ja bekanntlich nicht, wie es in einer unserer Ausstellungen über "Puppe und Teddy" hieß. Also, ab und zu das "Wischkästla" aus und ab ins wirkliche "Real Life" und ins Museum!
Und was ist die Botschaft?
Wir können die Unruhe, die ja mitunter den ganzen Menschen ergreift, ablegen. Es kehrt Ruhe ein in unseren Kopf und in unser Herz. Wir erkennen: Wir müssen uns nicht zu Sklaven der Dinge machen und wir müssen keine Angst haben, irgendetwas zu verpassen.
In dem Museum ist eine Vielzahl von Votivpuppen zu sehen. Was sagen die den Besuchern?
Sie zeugen von der Vielfalt der menschlichen Schicksale und ihren Gotteserfahrungen.
Die Votivgaben sind kein Zeugnis eines "Handels mit Gott", vielmehr sind sie Zeichen menschlicher Dankbarkeit und Mitteilungen an andere: "Gott hat geholfen!"
Sie bieten auch spezielle Kinderführungen an.
Stimmt. Es macht den Kindern Freude, mit "Wally", der Wallfahrtsmaus, das Museum zu erkunden. Die Maus ist genauso neugierig wie die Kinder, und sie zeigt ihnen, was sie über das Wallfahrten und das Beten mit Perlenketten weiß und berichtet von besonderen Geschenken an Gott.
Zu den Exponaten gehört auch ein Mirakelbuch. Was hat es damit auf sich?
Es stammt aus dem 18. Jahrhundert und enthält Schilderungen zahlreicher Gebetserhörungen. Wir haben einen Auszug von 50 bis 60 Fällen ausgelegt. Das ist für Jung und Alt eine spannende Lektüre.
Kindern muss man dabei aber erklären, dass die Menschen früher anders gesprochen haben, so dass sie die Ausdrucksweise verstehen und wissen, was mit bestimmten Wörtern gemeint ist.
Haben sie einen Lieblingsplatz im Museum?
Ja, das ist die Nische mit Bernadette und Maria, "der schönen weißen Dame", sowie all die Bildchen und Kuriositäten um den Lourdeskult. Das war das erste, was in diesem Museum fertig war. Für mich ist das ein sehr beschaulicher Platz, an dem ich herunterfahren und zur Ruhe kommen kann.
Die Fragen stellte Josef Hofbauer.