Mit Vogelspinnen auf Du und Du

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Das Befremden beim erstmaligen Kontakt mit der Vogelspinne steht Peggy Werner ins Gesicht geschrieben. Doch beim Fremdeln sollte es nicht bleiben. Fotos: Markus Häggberg
Das Befremden beim erstmaligen Kontakt mit der Vogelspinne steht Peggy Werner ins Gesicht geschrieben. Doch beim Fremdeln sollte es nicht bleiben. Fotos: Markus Häggberg
Der Tausendfüßler hat 752 Beine. Die alle setzten sich am Wochenende auf den Händen der Besucher in Bewegung.
Der Tausendfüßler hat 752 Beine. Die alle setzten sich am Wochenende auf den Händen der Besucher in Bewegung.
 

Skorpione aus Amerika und Gespenstschrecken aus dem hintersten Asien gab es in der Stadthalle zu sehen.

Lichtenfels — Werners wohnen ebenerdig. So mit Garten vor der Tür. Kann also schon mal vorkommen, dass etwas in die Stube krabbelt, das zur riesigen Familie der Arachniden gehört - der Spinnentiere eben. Am Wochenende ergriff auch diese Marktzeulner Familie die Gelegenheit, eine Spinnenausstellung aufzusuchen. Es geht um Ekel und Faszination.

56 Schaukästen und 56 Terrarien - hinter all dem Glas ging es in der Stadthalle international zu: Skorpione aus Amerika, Gespenstschrecken aus dem hintersten Asien, schillernde Schmetterlinge aus sonstwo, Spinnen aus Chile. Merkregel: Je kleiner und weißer ein Skorpion ist, umso tödlicher sticht er. Mit Skorpionen hat die Familie Werner weniger zu tun, eher mit den heimischen Vertretern der Spinnentiere. Da vor allem die Frauen, also die siebenjährige Lena und ihre Mutter Peggy.

Irgendwann um die Mittagszeit nähert sich Peggy Werner einer Erfahrung an. Sie nimmt einen Tausendfüßler in die Hand, lässt ihn sich wie ein Armreif ums Handgelenk legen und empfindet - nichts. Zumindest keinen Ekel. Zwei Meter davon entfernt steht die kleine Lena und schaut etwas skeptisch. Zumindest Spinnen gegenüber ist das Mädchen nicht argwöhnisch, oder genauer gesagt: nicht mehr.

Weberknecht im Zahnputzbecher

Da gab es diesen Vorfall mit dem Zahnputzbecher vor zwei Jahren, als sie darin einen Weberknecht fand und kreischen musste. Doch dann fiel ihr das Buch "Die kleine Spinne Widerlich" zu. Und jetzt: "Ich find' sie (die Spinnen) süß." Mutter Peggy argumentiert etwas weniger versöhnlich. Begegnungen mit Spinnen können so verlaufen, dass dann "schon mal ein Schuh fliegt und mein Mann muss es (erlegte Spinne) wegräumen".

"Meine Mutter hat da mal voll die Panik bekommen", erinnert sich ihr Sohn Tim noch genau. Wovor die Frau solchen handgreiflich werdenden Abscheu empfindet, sind "die großen schwarzen Spinnen", erklärt sie. Und jetzt wird es kurios, denn gerade hat die Marktzeulnerin ein Exemplar über ihre Hände laufen lassen, das, gemessen an den von ihr beschriebenen "großen schwarzen Spinnen" wirklich groß war, geradezu riesig. Die Rede ist von einer Roten Chile-Vogelspinne, die eine Handinnenfläche auszufüllen vermag und ihre Beine dabei noch über die Ränder hängen lassen kann. Aber da empfand Peggy Werner komischerweise keinen Ekel, keine Panik, da greift sie zu keinem Schuh.

Heimische Spinnen beißen nicht

Aber warum denn nun das wieder nicht? Rückblende zum Geschehen, wenige Minuten vorher. Peggy Werner verzieht ein wenig das Gesicht. Gerade betritt eine Rote Chile-Vogelspinne ihre Hand, wechselt von der Hand Albany Spindlers hinüber zu ihrer. Spindler, der zu dem Familienbetrieb der Aussteller gehört und über Mikrofon von den Wesensmerkmalen der Tiere zu den Besuchern spricht, stupst die haarige Vogelspinne noch etwas an, damit sie nur ja auf Peggy Werners Hand vorwärts geht. Aber jetzt stellt Peggy Werner fest, dass das Tier leicht ist und der Druck der Beine irgendwie samtig-luftig wirkt, nicht unangenehm, eher noch angenehm. Und sie trifft eine Unterscheidung zwischen dieser Spinne, deren Biss sie besser nicht riskieren sollte, und einer heimischen Spinne, die gar nicht erst beißt. Diese hier ist ihr lieber als die heimische, denn dieser begegnet man in unseren Breiten nie. Aber die heimischen Spinnen, die bleiben weiterhin eklig.

Von fernen Breiten weiß Peggy Werners auch zu erzählen. So sei die Familie schon im Death Valley und im Monument Valley in den USA gewesen, dort, wo es Skorpione gibt. Dann erzählt Peggy Werner von einer Freundin im Harz, die eine Schlangenfarm habe und die sie immer bewunderte, weil die Freundin diese Tiere auch anfasst. Auch hat sie eine Schwester in München, die eine Vogelspinne besitzt, welche sie, Peggy Werner, nie angefasst habe. Als die sich einmal häutete, habe sie die Haut in eine Schachtel getan. "Und ich musste noch etwas Schweres auf die Schachtel stellen", so die Frau zu ihrer "Schutzmaßnahme".

Doch was diese Vogelspinne angeht, von ihr gehe eher Faszination als Ekel aus. "Wie sie aussehen und wie sie sich bewegen..." Die Spinnen in Marktzeuln sind kleiner und ungefährlich, sehen im Grunde auch nicht anders aus, nur kleiner. Aber zu ihnen wird Peggy Werner fürderhin ihre Haltung bewahren. Es bleibt beim Ekel, denn sie bekommt das Geräusch nicht aus dem Kopf, welches eine harmlose Spinne verursachte, als sie über Styropor lief. Und "der Gedanke, wenn man schläft, die könnten über das Gesicht laufen", ist der Frau auch unheimlich.

Dass auch Vogelspinnen das können, lässt sie kalt. Denn "das tun sie ja nicht hier", nicht in Deutschland, nicht in Bayern, Franken und Marktzeuln. Dass das alles nichts mit Logik zu tun hat, weiß auch Albany Spindler. Von den Menschen, die eine Phobie gegen Spinnen haben, seien "60 Prozent Frauen", erklärt er. Doch es sei schon vorgekommen, dass man sich bei ihm dafür bedankt habe, die Angst vor Spinnen genommen zu haben.