Mit Nils im Hier und Jetzt
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Dienstag, 15. März 2022
Welt-Down-Syndrom-Tag Gerade in Zeiten, die nicht rosig sind, genießen wir das Glück, das uns begegnet, um so mehr. Jens Neugebauer erzählt vom Glück, einen Sohn mit diesem Syndrom zu haben. Aufgezeichnet von Christiane Lehmann
"Nils hat sich durch alle Voruntersuchungen durchgemogelt. Wir haben die Nackenfalte messen lassen und uns für die Feindiagnostik entschieden. Alles schien in Ordnung. Trotzdem hatten wir in dieser Zeit der Ungewissheit auch Diskussionen darüber, was denn wäre, wenn Nils behindert zur Welt kommt. Für meine Frau war das von Anfang an kein Problem, ich dagegen wusste nicht, ob ich damit leben kann und will. Für mich war es, weil ich keine Erfahrungen und Kenntnisse hatte, unvorstellbar, mit einem behinderten Kind zu leben.
Dann kam Nils am 2. Januar 2009 zur Welt. Da ich schon bei der Geburt meiner Tochter Luna dabei war, wunderte ich mich etwas, dass er anders aussah. Sein Gesichtchen schien geschwollen. Die Ärzte fanden jedoch keine eindeutige Hinweise auf eine Behinderung. So trank Nils gleich von der Brust und hatte auch sonst keine Auffälligkeiten. Nichts von einer Vierfinger-Furche, die typisch für Kinder mit Down Syndrom ist.
Rotz und Wasser geheult
Trotzdem wollten sie sichergehen und er wurde auf die Intensivstation verlegt. Ich erinnere mich noch, wie schrecklich diese Tage der Ungewissheit waren. Meine Frau lag im Krankenhaus, und ich war daheim bei Luna. Ich konnte nicht zum Baby und ein ruhiges Gespräch mit meiner Frau war auch nicht möglich. Nach drei Tagen hatten wir dann Gewissheit: Nils hatte das Down-Syndrom. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich hab Rotz und Wasser geheult. Da ich nicht wusste, ob ich ihn behalten will, sagte Rita zu mir: ,Wenn du das nicht kannst, musst du gehen.' Heute bin ich froh für diese krasse Auseinandersetzung mit der Situation. Um Nils voll und ganz annehmen zu können, musste ich mich der Realität stellen. Und das bedeutet in erster Linie, alle Erwartungen fallen zu lassen. Dann werde ich eben niemals mit meinem Sohn Fußball spielen, dachte ich. Mittlerweile sehe ich das natürlich anders. Aber der Reihe nach.
Mich haben selbst die Glückwünsche unserer Freunde und aus der Familie genervt. Alle wünschten uns alles Liebe - ohne zu wissen, was bei uns los war.
Dann kam der Moment, wo ich es meinen Eltern sagen musste. Mutti und Vati waren zusammen am Telefon. Ich sagte: Nils ist behindert und hat das Down Syndrom. Da meinte meine Mutti: Das macht doch nix, wir haben ihn trotzdem lieb. In dem Moment wusste ich, dass die Familie hinter uns steht. Das gab mir Sicherheit und ich begann offensiver mit der Situation umzugehen. Wir erzählten es unseren Freunden, verabredeten uns zu Spaziergängen. Und ich kann sagen - bis heute: Wir haben überwiegend nur positive Erfahrungen mit Nils gemacht. Keiner hat sich abgewandt. Wir sind von tollen Menschen umgeben. Das hat uns den Start leicht gemacht.
Startschuss für eine Erfolgsgeschichte