Druckartikel: Mit Geld und Wachs zur Basilika

Mit Geld und Wachs zur Basilika


Autor: Dr. Manfred Welker

Haundorf, Donnerstag, 24. Mai 2018

Gößweinstein gehört zu den meistbesuchten Wallfahrtsorten Frankens. Geschichtlich existieren dazu mehrere Legenden - unter anderem eine aus Haundorf.
Der Dreifaltigkeitsaltar der Basilika in Gößweinstein (rechts die Basilika von außen). Fotos: Manfred Welker & Barbara Herbst


Am ersten Sonntag nach Pfingsten wird das Dreifaltigkeitsfest gefeiert. Auch für die Wallfahrtsbasilika in Gößweinstein gilt dieses Patrozinium, also die Schutzherrschaft eines Patrons oder einer Patronin. Aus Haundorf ist dazu eine Sage überliefert:
Demnach war bei einem Bauern in Haundorf ein Knecht bedienstet. An einem Tag in der Adventszeit schnitt er auf dem Futterboden Häcksel. Der Knecht war emsig am Werk, als er plötzlich hinter seinem Rücken ein seltsames Geräusch vernahm. Vor ihm stand ein steinaltes, zusammengeschrumpftes, runzeliges Weibchen, das ihn "mit erloschenen Augen und totfahlen Antlitz" anstarrte, ohne ein Wort zu reden.
Der Knecht nahm sich ein Herz und fragte die Gestalt, wer sie sei und was sie wolle. Schlürfenden Ganges näherte sie sich und erzählte ihm, sie sei die vor achtzig Jahren verstorbene Urgroßmutter seines Herrn und habe in einer schweren Krankheit ein Pfund Wachs, drei heilige Messen und eine Wallfahrt nach Gößweinstein gelobt.


Vom Tod überrascht

Die Krankheit habe sie auch glücklich überstanden, aber die Erfüllung des Gelübdes immer wieder hinausgeschoben. Schließlich habe sie der Tod überrascht. Sie könne deshalb im Grabe keine Ruhe finden und bitte ihn, er möge das Versäumte nachholen und ihr Erlösung bringen.
Er möge ihr also um Gottes und seiner heiligen Mutter willen aus christlicher Nächstenliebe diesen Dienst erweisen. Der Knecht wandte nun ein, dass er ihrem Wunsche nicht willfahren könne, da er arm sei und obendrein noch Protestant. Doch diese Einwände ließ sie nicht gelten. Dass er ein anderes Glaubensbekenntnis habe, verhindere ihre Erlösung keineswegs, und wenn er zu arm sei, um das Geld zu den heiligen Messen und das Wachs hergeben zu können, so möge er in der Pfarrei Gaben sammeln. Nach diesen Worten verschwand das alte Mütterlein, den Knecht befiel ein eiskaltes Grauen, dass er schleunigst den Futterboden verließ.
Als er unten in der Wohnstube ankam und dem Bauern von dem Erlebnis berichtete, verspottete ihn dieser. Eine wehmütige, mitleidsvolle Stimmung ergriff den jungen Mann. In seiner Seelennot entschloss er sich, Zuflucht bei einem überall geschätzten Geistlichen in Herzogenaurach zu suchen.


Glücklich am Zielort

Der Priester hörte ihn aufmerksam an und gab ihm den Rat, Geld und Wachs in der Pfarrei zu erbetteln und die Wallfahrt nach Gößweinstein anzutreten. Bald hatte er das Messegeld und das Wachs beisammen und begab sich auf die Wanderschaft zum berühmten Gnadenorte. Glücklich kam er am Ziel an, opferte das Pfund Wachs und wohnte andächtig den drei gestifteten heiligen Messen bei.
Die dritte Messe war noch nicht ganz zu Ende, als heller, lichter Glanz von oben herabstrahlte und ihn schimmernd umfloss. Als er die Augen nach der Höhe richtete, schwebte über ihm die Gestalt der Erlösten und begrüßte ihn mit dankbarem Lächeln.
Der Knecht aber war über diese himmlische Erscheinung so erschrocken, dass er einer Ohnmacht nahe war und leichenblass zur Kirche hinauswankte.
Allmählich erholte er sich wieder und machte sich erleichtert auf den Heimweg. Ohne Unfall erreichte er Haundorf, wo er im Laufe der Jahre bei allen Unternehmungen vom Glück begünstigt war, dass er reich und angesehen wurde. maw