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Mit dem Abi in die Werkstatt


Autor: Sabine Weinbeer

Haßfurt, Donnerstag, 12. März 2015

Ausbildung  An der Haßfurter Berufsschule wird - zentral für ganz Franken - das Programm "Abi und Auto" angeboten. Vertreter der Handwerkskammern informierten sich.
Vertreter der Handwerkskammern Ober- und Mittelfranken informierten sich an der Heinrich-Thein-Berufsschule in Haßfurt über das Ausbildungsprogramm "Abi und Auto". Christoph Lindner (Dritter von rechts) zeigte unter anderem die Ausbildungswerkstatt.  Foto: Sabine Weinbeer


von unserer Mitarbeiterin Sabine Weinbeer

Haßfurt — Das Abitur zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass "man sich am Schreibtisch besonders wohl fühlt". Diese Erkenntnis führte Siegfried Manleitner in die erste Klasse "Abi und Auto" an der Heinrich-Thein-Berufsschule in Haßfurt. Dort informierten sich Vertreter der fränkischen Handwerkskammern (HWK) über diese neue Ausbildungsmöglichkeit.
"Abi und Auto" bietet Abiturienten eine verkürzte Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, auf Wunsch aber auch direkt bis zum Meister oder geprüften Betriebswirt (HWO). Für das Kfz-Handwerk ist die Ausbildung ein neuer Weg, qualifizierten Nachwuchs heranzuziehen.
Seit eineinhalb Jahren wird "Abi und Auto" in Zusammenarbeit zwischen der Heinrich-Thein-Berufsschule und der Fahrzeugakademie der Handwerkskammer für Unterfranken umgesetzt, seit Herbst ist die zweite Klasse in Ausbildung. Wie der stellvertretende Schulleiter Jochen Brüggemann erklärte, sind die Schülerzahlen an der Berufsschule - gegen den Trend - leicht steigend. Während in Bereichen wie Holz oder Maler die Zahlen schrumpfen, verzeichnen das IT-Kompetenzzentrum und der Kfz-Bereich deutliche Zuwächse. Hier sei die Schule breit aufgestellt mit den Pkw- und Nutzfahrzeuge-Mechatronikern und dem Programm "Abi und Auto".
Christoph Lindner ist in Haßfurt für den Kfz-Bereich zuständig. Er sieht in "Abi und Auto" große Chancen für junge Leute wie auch für Betriebe. Dass qualifizierter Nachwuchs für das Handwerk immer schwerer zu finden ist, darin war sich Lindner mit den Kammervertretern einig. Inhaber hätten zwar oft Vorbehalte gegenüber Abiturienten, so Lindner, doch in Zeiten, in denen immer mehr Kinder das Gymnasium besuchen, befänden sich unter den Absolventen längst nicht mehr nur angehende Studenten.

Mehr Fachunterricht

Die erste Klasse "Abi und Auto" in Haßfurt besteht aus 18 Männern und einer Frau, die mittlerweile die Zwischenprüfung abgelegt haben. Sie haben im Vergleich zu "klassischen" Auszubildenden sechs Stunden pro Woche mehr fachbezogenen Unterricht, da sie als Abiturienten weder Deutsch noch Religion belegen müssen.
Wie viele von ihnen denn schon immer am Schrauben und Reparieren interessiert waren, wollten die HWK-Vertreter in der Klasse wissen - fast alle meldeten sich. "Wer von Ihnen strebt anschließend ein Studium an", war die Gretchenfrage von Siegfried Zillig, dem Prüfungsvorsitzenden von Oberfranken. Etwa die Hälfte der Klasse hat das im Auge. Ein Drittel der Schüler jedoch hat ein abgebrochenes Studium hinter sich und erkannt, dass ein eher praktisch angelegter Beruf für sie geeigneter ist. Grundsätzlich passt eine solche Ausbildung, die eher Techniker als Schrauber ausbildet, zur Entwicklung im Kfz-Handwerk, denn auch in den Werkstätten verschiebt sich der Schwerpunkt entsprechend. Nicht zuletzt ist "Abi und Auto" ein hervorragendes Programm für Betriebsnachfolger, was sich schon in der zweiten Klasse zeigt, die seit Herbst unterrichtet wird.
Ob es denn nicht sehr aufwändig sei, den Blockunterricht in Haßfurt und die überbetriebliche Ausbildung in Schweinfurt (an der Fahrzeugakademie) zu absolvieren, wollten die Vertreter aus Mittelfranken wissen. Das sei kein Problem, so Siegfried Manleitner. Der Vorteil einer homogenen Gruppe überwiege bei weitem. In einer klassischen Berufsschulklasse wären die Teilnehmer von "Abi und Auto" teils über zehn Jahre älter als ihre Klassenkameraden. Außerdem würde eine Verkürzung in der normalen Ausbildung bedeuten, dass ein großer Teil des Stoffes in Eigenregie gelernt werden muss, während "Abi und Auto" den gesamten Stoff in kürzerer Zeit vermittelt. Gleichzeitig sind schon einige Teile der Meisterausbildung enthalten.

Ziel ist der Meisterbrief

Fast alle in der Klasse wollen direkt zum Meister "durchmarschieren". In den Betrieben fühlen sie sich akzeptiert und auch adäquat eingesetzt. Selbstständiges Arbeiten werde von den Meistern durchaus geschätzt und honoriert, so die Schüler übereinstimmend.
Siegfried Manleitner fühlt sich in der Autowerkstatt wohl. Er hat nicht nur das Abitur, sondern auch schon eine abgeschlossene Ausbildung als IT-Fachmann, "aber es ist schön, am Abend auch zu wissen, was man getan hat", begründet er seinen Wechsel.
Die Gäste jedenfalls zeigten sich beeindruckt von den Lehrwerkstätten, die mit hochwertigen Fahrzeugen bis hin zum Hybrid-Antrieb ausgestattet sind. Es ist davon auszugehen, dass man auch in Ober- und Mittelfranken künftig verstärkt auf "Abi und Auto" hinweist.