Druckartikel: Meldepflicht erfüllt oder nicht?

Meldepflicht erfüllt oder nicht?


Autor: Helmut Will

Haßfurt, Freitag, 10. Juni 2016

Um eine geringe Summe ging es bei einem Betrugsprozess in Haßfurt, und eine Schulklasse lernte viel.


Ein wegen eines Drogenvergehens Angeklagter erschien am gestrigen Freitagvormittag nicht vor dem Amtsgericht in Haßfurt. Richterin Ilona Conver schickte die Polizei, um ihn zu Hause abzuholen. Allerdings war er nicht anzutreffen und nach Aussage der Polizei bestand keine Aussicht, des Angeklagten auf die Schnelle habhaft zu werden. Eine Schulklasse der Realschule Ebern, die im Gerichtssaal war, hatte daher Pech. Der Prozess fiel aus.
Lehrreich für die Schüler war der Tag aber doch. Da bis zur folgenden Verhandlung ausreichend Zeit war, erklärte der Vertreter der Anklage, Ilker Özalp, den Jugendlichen berufliche Möglichkeiten und Perspektiven, die die Justiz bietet, und gab in lockerer Art rechtliche Auskünfte über den Ablauf eines Strafverfahrens von der Anzeige bis zum Urteil. Dabei ging er auch auf den folgenden Fall eines Betrugs zum Nachteil des Jobcenters in Haßfurt ein. Angeklagt war ein 48-jähriger Mann, der mit seinem Kleinkind in den Sitzungssaal kam. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, er habe dem Jobcenter nicht gemeldet, dass er im ersten Halbjahr 2015 eine versicherungspflichtige Tätigkeit in einer Pizzeria aufgenommen habe. 272 Euro seien ihm, so Anklagevertreter Ilkler Özalp, deshalb zu Unrecht bezahlt worden. Gegen den Strafbefehl hatte der Angeklagte über seinen Rechtsanwalt Tilman Fischer Einspruch eingelegt, so dass es zum Prozess kam.
Der Anwalt führte aus, dass einer zunächst beabsichtigten Einstellung durch die Staatsanwaltschaft gegen eine Geldbuße von 150 Euro nicht zugestimmt wurde. Sein Mandant habe ihm erklärt, dass er keine Meldepflichten versäumt habe und die Aufnahme seiner Tätigkeit sowohl beim Jobcenter als auch beim Hauptzollamt in Schweinfurt sofort gemeldet habe. "Der Fehler liegt nicht bei mir", beteuerte der Angeklagte glaubhaft und nannte sogar den Namen des Mitarbeiters vom Jobcenter, bei dem er die Aufnahme seiner Tätigkeit in der Pizzeria gemeldet habe. In den Akten war darüber allerdings nichts zu finden.
Auch in diesem Fall stellte sich heraus, wie Ilker Özalp im Gespräch mit den Schülern vorher schon dargestellt hatte, es komme häufig vor, dass Angeklagte behaupten, ihrer Meldepflicht entsprochen zu haben, man aber beim Jobcenter darüber keine Unterlagen habe. Richterin Ilona Conver meinte, dass Fehler vorkommen könnten und es dann immer die Frage sei, ob die Angeklagten die Wahrheit sagen oder nur behaupten, sie hätten es gemeldet. "Ich bin seit 2002 in Deutschland, habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen und habe meine Sache richtig gemacht", sagte der aus Tunesien stammende 48-Jährige, der deutscher Staatsbürger ist.
"Wir sitzen heute da, weil nirgends etwas zu finden ist, was belegt, dass Sie ihrer Meldepflicht nachgekommen sind", entgegnete Ilker Özalp. Er müsse davon ausgehen, dass das Jobcenter richtige Mitteilungen mache. Aber auch er räumte ein, dass es zu Verständnisfehlern im Jobcenter kommen könne.
Rechtsanwalt Tilmann Fischer zeigte sich davon überzeugt, dass sein Mandant, der ruhig und sachlich wirkte, seiner Meldepflicht nachgekommen ist. "Aber ein Beweis fehlt uns, in den Akten ist nichts", resümierte der Anwalt.
In dieser Phase schlug er seinem Mandanten vor, einer Einstellung gegen eine geringe Geldauflage zuzustimmen, worauf dieser sagte: "Ich habe doch nichts falsch gemacht."
In einer Sitzungspause konnte der Verteidiger seinen Mandanten davon überzeugen, einer Einstellung zuzustimmen. Dieser sagte danach zum Gericht: "Frau Richterin, ich bin hundertprozentig sicher, dass ich dem Jobcenter Meldung gemacht habe, aber mein Anwalt hat mir alles erklärt, weshalb ich mit seinem Vorschlag, das Verfahren einzustellen, einverstanden bin."
Die Richterin stellte mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten das Strafverfahren vorläufig ein mit der Auflage, dass der Angeklagte 100 Euro an die Kreisverkehrswacht bezahlt.