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Mein Unikum


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Freitag, 31. Mai 2019

Markus Häggberg Neuerdings telefoniere ich wieder beinahe täglich mit meinem Unikum. Sobald es anruft, taucht sein Name auf dem Display meines Telefons auf und ich weiß dann nicht, worauf ich mich ein...


Markus Häggberg Neuerdings telefoniere ich wieder beinahe täglich mit meinem Unikum. Sobald es anruft, taucht sein Name auf dem Display meines Telefons auf und ich weiß dann nicht, worauf ich mich einzurichten habe. Sicher ist eigentlich nur, dass die moderne Kommunikationstechnik von meinem Unikum bevorzugt dazu genutzt wird, mich davon zu überzeugen, dass ich ein Depp bin.

Manchmal aber lässt er sich auch noch auf andere Themen ein und dann kommt es bisweilen ungewollt sogar zu ähnlichen Ansichten über dieses und jenes - Momente, die uns beiden peinlich sind. Dann und wann ruft mein Unikum mich auch an, um mir Vorhaltungen darüber zu machen, dass ich Hamburger in der Preisklasse über sieben Euro esse und Orte kenne, an denen so etwas möglich ist. Unikum hält das für Preistreiberei und kapitalistischen Auswuchs. Er selbst ist Sozialist und kann Marx von Lenin unterschreiben, vor allem, wenn er ihre Bücher im Erstdruck der jeweiligen Muttersprache vor sich liegen hat.

Dazu möchte ich allerdings erwähnen, dass mein Unikum selbst schon Schritte in den Turbo-Kapitalismus unternahm, wenngleich es Rückschritte waren. Eigentlich ist mein Unikum ja in der Welt der Klassik beheimatet, so zwischen Mozarts Lacrimosa und Smetanas Moldau, mit höchstens unabsichtlichen Ausflügen zu Gershwins Rhapsody in Blue.

Doch auch mein Unikum kann für Geld ein Auge zudrücken und in die Niederungen der Populärkultur hinabsteigen. Geld macht den Kapitalismus ja überhaupt erst sympathisch und Geld ist Schwungfeder seiner Gedanken.

So verfiel Unikum auf die Idee zur Leihsemmel (ist gescheitert), so kam er auch auf den Gedanken, mit einem Freund ein Duo zu gründen (ist auch gescheitert). Da der eine nicht singen und der andere nur schlecht tanzen konnte, empfahl sich der Name "The Moneyback Brothers" (das war gescheiter). Der Name roch nach Country und Western und Geld. Die Geldzurückbrüder sahen sich in Gedanken schon in Nashville Verträge abschließen und die Cowboy-Hüte waren schon gekauft, nur Nashville war zu doof, die Dimensionen realistisch einzuschätzen. Unikum hätte es gereicht, wenn es lediglich auf der Bühne und über CDs Populärmusik veranstaltet hätte, denn von den Millionen hätte es sich Klassiksammlungen gekauft, Konzertkarten für die Carnegie Hall oder das Concertgebouw.

Da mein Unikum kein Problem mit Verstellung hat, ruft es mich also neuerdings an, um mir "Die Amigos" ans Herz zu legen, jenes Musik-Duo, dessen Melodien man schwer auseinanderhalten kann. Unikum plant mit mir eine Karriere im Windschatten der Amigos. Einen Namen haben wir noch nicht, aber jede Menge Ideen für zündende Lieder.

Bei der Frage, wie unser Debütalbum heißen sollte, sind wir noch uneins. Ich plädiere für "Lieder die zu Schmerzen gehen", mein Unikum hingegen favorisiert das gefälligere "Lieder die von Schmerzen kommen". Erste Einfälle für Liedtitel haben wir auch. Als da wären: "Die Sennerin von Norderney" (kam in Wirklichkeit nur aus der Schney), "Das Alphabet der Liebe", "Die Winzer von San Juan", "Wenn die Glocken erklingen in Rimini", "Die Zahnputzfee vom Wörthersee" oder das eher gesellschaftskritische "Die rote Sonne von Montepulciano-West".

So oder so ähnlich klingen die Lieder dieser Szene ja und Unikum traut uns glatt zu, ein Lied nach dem anderen zu schreiben und vielen Menschen eine große Freude zu bereiten. Diese Freude soll auch bezahlbar sein, für ihn mit zwei Drittel der Einnahmen, für mich mit einem.

Manchmal habe ich den leisen Verdacht, mein Unikum könnte sich vom Sozialismus ein wenig entfernt haben. Ich kann es an nichts Konkretem festmachen, es ist halt nur so ein Gefühl. Mit diesem vermutlich gegenseitigen Gefühl gehen wir letztlich auch immer wieder aus der Leitung, wobei wir uns einer weltmännisch klingenden Floskel bedienen, die noch durch keinen Amigo-Song verbraucht wurde. Sie heißt "Fuck you very much" und ich gebe gerne zu, dass ihr eine Spur von Anstößigkeit anhaftet.